Günter Herz hat ein Luxusproblem: Sein Geld liegt auf der Bank und die nächste gewinnbringende Investition ist nicht in Sicht.

Noch steht nur die Fassade. Das weiße Bürohaus neben dem Hotel Vier Jahreszeiten ist entkernt. Nach der Fertigstellung wird vermutlich eine der verschwiegensten Hamburger Familien mit ihrem Unternehmen Mayfair in dem ehemaligen Gebäude der Dresdner Bank Lateinamerika residieren. Die Immobilie gehört Günter Herz - einem der erfolgreichsten Unternehmer Deutschlands.

Einst hat er den Kaffeeröster Tchibo zum deutschen Marktführer bei den braunen Bohnen und zum Handelskonzern ausgebaut. Dann verließ er 2003 die Familienfirma nach fast 40 Jahren an der Spitze des Unternehmens im Streit mit seinen drei Brüdern. Schwester Daniela Herz-Schnoeckel ging mit ihm. Beide gründeten das Investmentunternehmen Mayfair, um langfristige Beteiligungen zu erwerben. Die nach einem Pferd des Züchters Herz benannte Firma erwarb ab 2003 rund 27,1 Prozent am Sportartikelhersteller Puma. Recht kurzfristig verkaufte Herz seine Aktien vier Jahre später, weil die Gelegenheit gut war - mit einem sagenhaften Gewinn in Höhe von 550 Millionen Euro.

Ein solcher Coup ist ganz nach dem Geschmack des Hamburger Kaufmanns, der immer auf der Suche nach Rendite ist. Doch seit Puma hat er nur noch wenig Spektakuläres erreicht. Zwar konnte der erfolgsverwöhnte Unternehmer im Jahr 2004 für 575 Millionen Euro den Germanischen Lloyd in Hamburg erwerben. Auch das war ein Schnäppchen, Herz stand als Hamburger Lösung bereit und damit als Garant, dass kein Konkurrent den Schiffsklassifizierer übernimmt und möglicherweise danach zerschlägt.

Seit der Trennung von Tchibo haben Günter Herz und seine Schwester Daniela dennoch ein Luxusproblem. Sie haben viel Geld auf der Bank liegen, das sie lieber gewinnbringend in die Übernahme neuer Unternehmen stecken würden. Zwar arbeitet ein gutes Dutzend Mitarbeiter bei Mayfair in den jetzigen Büroräumen im Hamburger Hof mit Hochdruck, prüft Bilanzen und Verkaufsprospekte. Doch es will sich einfach keine passende Kaufgelegenheit für den Mann finden, der es hasst, beim Preis über den Tisch gezogen zu werden.

Viel wurde ihm schon angedichtet. Die TUI wolle er sich angeblich einverleiben, sagten selbst ernannte Experten. Herz ärgerte sich darüber. Sogar Hapag-Lloyd sollte er kaufen, um die Reederei vor einer feindlichen Übernahme zu schützen. Vermutlich wurden diese Investments von Mayfair sogar geprüft. Doch der kühle Rechner Herz lehnte ab. Gerade erst ist ihm die Übernahme des Outdoor-Spezialisten Jack Wolfskin durch die Lappen gegangen, an dem er wirklich interessiert war. Die Verkäufer Barclays Private Equity und Quadriga wollten 800 Millionen Euro für das Unternehmen - zu viel für einen Schnäppchenjäger.

Doch was jetzt? Rund sechs Milliarden Euro sollen Herz und seine Schwester Daniela inzwischen besitzen. Der Mann, bei dem bei allen geschäftlichen Entscheidungen die Rendite im Mittelpunkt steht, ist unter Druck, etwas zu unternehmen. Aber was? Mayfair gibt sich wie immer bedeckt. "Wir sagen nichts zu niemandem", wiegelte gestern eine Mitarbeiterin das Abendblatt am Telefon ab.

Herz, der mittlerweile 70 Jahre ist, ist nicht nur erfolgreich und verschwiegen, sondern gibt sich menschenscheu. Man sieht ihn, anders als seine Frau Uta, weder bei Spaziergängen in der Bellevue, wo das Ehepaar wohnt, noch auf Promi-Partys. Der Mann, der einer der reichsten Hamburger ist, lebt zurückgezogen und angesichts seines Vermögens eher bescheiden in einem Stadthaus an der Alster. Dass ihm Aufschneiderei nicht liegt, sieht man schon an den Autos, die vor dem Haus stehen. Mitteklassewagen der Marken Mercedes und Audi dominieren.

Vielleicht wäre Günter Herz gern bei Tchibo geblieben. Schließlich hat er aus dem Hamburger Kaffeeröster ein in vielen Ländern aktives Unternehmen gemacht, das in Deutschland neben Kaffee jede Woche wechselnde Artikel wie Bekleidung oder Geschirr anbietet. Herz hat Tchibo fast sein ganzes Berufsleben geschenkt. Aber es gibt kein Zurück. Damals vor acht Jahren riss der Faden, als ihn seine Brüder Michael, Wolfgang und der damals noch lebende Joachim letztendlich sogar mit dem Segen von Mutter Ingeburg Herz (91) aus dem Unternehmen drängten. Es war das Finale eines Streits, dessen Ursprung vermutlich aus der Sandkastenzeit stammt und sich nach dem Tod des Vaters Max Herz 1965 fortgesetzt hat. Es ging darum, wer der beste Nachfolger des Unternehmensgründers ist. Gefördert wurde der Zwist durch ein wenig präzises Testament. "Zwei meiner fähigsten Jungen" sollen Tchibo führen, hat der Senior angeordnet. Günter Herz, damals gerade mal Mitte Zwanzig, und sein drei Jahre jüngerer Bruder Michael übernahmen das Ruder. Michael aber war stets der Zweite. Das ging nicht gut. Es gab immer mal wieder Streit, bis der jüngere Bruder 1989 vom Unternehmen in den Aufsichtsrat wechselte und den Filialisten Blume 2000 gründete. Richtig Ruhe eingekehrt ist auch danach nicht. Nach der Übernahme des Bremer Kaffeerösters Eduscho musste sich Günter Herz in den 90er-Jahren von den Brüdern sagen lassen, er habe zu viel Geld für den Wettbewerber gegeben. Gezänk gab es auch wegen Expansionsplänen oder der Höhe der Gewinne. Mutter Ingeburg wollte zwar immer vermitteln, aber meist ohne Erfolg. Die Trennung war bald nur noch eine Frage der Zeit. Günter war zwar Tchibo-Chef, aber die Brüder konnten seine Amtsführung aus dem Aufsichtsrat heraus torpedieren. Im Jahr 2003 war es dann so weit. Den Abschied und den Verkauf der Anteile an Tchibo ließen sich Günter und seine Schwester Daniela Herz-Schnoeckel mit vier Milliarden Euro vergolden.

Der Kaffeeröster musste deswegen den Zigarettenhersteller Reemtsma an den britischen Konzern Imperial Tobacco verkaufen. Bei Tchibo ist inzwischen Ruhe eingekehrt. Auch mit Petra Herz, der Frau des in den USA umgekommenen Joachim, konnte man sich einigen.

Daniela und Günter Herz aber jagen seither nach Anlagemöglichkeiten oder bauen und kaufen Immobilien. Neben Mayfair betreiben sie mehrere Gesellschaften wie Pastio oder Fair- Verwaltungs- und Beratungsgesellschaft, bei der neben Daniela Herz-Schnoeckel auch ihr Sohn Sebastian Schnoeckel als Geschäftsführer eingetragen ist. Ein bizarres Geflecht von Firmen, das auch dazu geschaffen wurde, das Vermögen eines Teils der verschwiegenen Hamburger Familie Herz zu managen. Dabei könnte sich der älteste Sohn der Kaffee-Dynastie längst zurückziehen. Der Mann hat es in seinem Leben weit gebracht, hat mit Michaela und Christian Herz zwei Kinder, die ihrem Vater nacheifern und bereits die Geschäftsführung bei Mayfair übernommen haben. Doch die Aussicht auf Gewinne lockt weiter. Nur am Wochenende gönnt sich Herz eine Auszeit. Dann ist er auf seinem Gestüt in Lasbek bei Ahrensburg. Meist geht es schon am Freitag los. Zudem hat er ein Chalet in St. Moritz, das er nach Aussagen eines Freundes vor Jahren günstig erwerben konnte.

Doch von dem Rummel im Promi-Ort dürfte er nicht viel halten. Zwar sind dort Millionäre und Milliardäre unter sich, aber Günter Herz ist zu bodenständig für Chichi und Champagner. Viel lieber ist ihm das Wochenenddomizil. In Lasbek züchtet er Turnierpferde, und das sogar mit großem Erfolg. Das Preisgeld, das die Familie bisher gewann, summiert sich auf mindestens 20 Millionen Euro. Herz bekommt zehn Prozent der Prämie der bei ihm gezüchteten Pferde - bei jedem Sieg. Einen Teil der Preisgelder dürfte Herz schon längst wieder investiert haben. In die Trabrennbahn in Hamburg-Bahrenfeld soll seine Gesellschaft Win Race, die er mit Sohn Christian betreibt, mehr als drei Millionen Euro gesteckt haben, um die Anlage zu retten. Dort hat er zudem eine neue Tribüne gebaut, die später teilweise einem Brand zum Opfer fiel. Jetzt soll sie wieder repariert werden.

Die Rennbahn braucht den Sponsor, denn Pferderennen finden immer weniger Anhänger. Doch Herz, der auch eine Rennyacht besitzt, ist fasziniert von dem Pferdesport. Über Jahre fuhr er zu den Rennen nach Bahrenfeld mit einem alten Golf, parkte abseits und stellte sich selbst bei Nieselregen einsam an den Rand der Bahn. Dort beobachtete er den Wettkampf durch ein Fernglas, ohne sich unter die Menge mischen zu müssen. Schon sein Vater Max besaß das Gelände der früheren Trabrennbahn Farmsen. Doch sie musste schließen. Wo einst Pferde trabten, stehen jetzt um die 1000 Wohnungen - sicher nicht zum Schaden der Familie.

Der Unternehmer hat ein Herz für Pferde. Aber ansonsten ist er ein Pfennigfuchser. Das bekamen manchmal auch die Mitarbeiter zu spüren. So tauchte Herz einmal völlig unerwartet im Hauptquartier der damaligen Tchibo-Tochter Reemtsma auf und fragte, wie viel Geld der Zigarettenhersteller für Bleistifte ausgab. Ratlos schauten sich die Vorstände an. Doch Herz, für seine übertriebene Sparsamkeit bekannt, ließ nicht locker: "Ich bin noch bis 13 Uhr hier. Um zwölf Uhr will ich wissen, wie viel Mark Sie für den Einkauf der Bleistifte ausgeben." Am Ende mussten die Reemtsma-Vorstände gestehen, dass das Unternehmen fast das 30-Fache für die Stifte bezahlte als Tchibo.

Bei Günter Herz gibt es auch nichts für lau. "Warum spenden wir nicht", soll die Mutter ihren Sohn schon vor Jahren gefragt haben, nachdem eine andere Hamburger Persönlichkeit ein Krankenhaus großzügig unterstützte. "Das bringt keinen Gewinn, so etwas machen wir nicht", soll er geantwortet haben. Anders sein Bruder Joachim. Nach seinem Tod im Mai 2008 verfügte er, dass sein Vermögen mehrheitlich in die Joachim-Herz-Stiftung zur Förderung der Forschung fließt. Die Organisation, die von Witwe Petra Herz geleitet wird, verfügt über eine Milliarde Euro und gehört zudem zu den Anteilseignern von Tchibo.

Während der jüngere Bruder Michael nun über Tchibo herrscht und über die Gesellschaft Maxingvest gemeinsam mit seinem Bruder Wolfgang, Mutter Ingeburg und der Stiftung des verstorbenen Bruders mehr als 50 Prozent an dem Niveahersteller Beiersdorf besitzt, muss sich Günter Herz derzeit um Bauarbeiten kümmern. Das Bürohaus am Neuen Jungfernstieg hat er von seinem langjährigen Berater Otto Gellert, einem Hamburger Wirtschaftsprüfer, übernommen. 27 Millionen Euro soll es gekostet haben. Der Umbau der Immobilie, die nur noch aus einer Hülle besteht, dürfte nochmals mehrere Millionen kosten. Doch die Gegend ist hervorragend und gefragt. Zumindest langfristig dürfte Herz zufrieden feststellen, dass seine Renditeerwartungen erfüllt werden. Doch das gesuchte Großprojekt ist es nicht.