ZEW-Index für die Wachstumsaussichten halbiert sich. Der steigende Ölpreis treibt die Inflation weiter hoch

Hamburg. Bisher schien es, als könne die deutsche Wirtschaft ihren Wachstumskurs nahezu ungebremst durch die Katastrophe in Japan und die Unruhen in Nordafrika fortsetzen. Doch nun mehren sich die Anzeichen dafür, dass sich das Tempo des Aufschwungs deutlich abschwächt: Das ZEW-Barometer für die Konjunkturerwartungen ist im April von 14,1 auf 7,6 Punkte gefallen - deutlich stärker als erwartet. Der Indikator beruht auf einer Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsförderung (ZEW) in Mannheim unter knapp 300 Analysten und Großanlegern zu den Aussichten für die nächsten sechs Monate.

"Trotz der erfreulichen Konjunkturentwicklung ergeben sich Risiken zurzeit vor allem aus den steigenden Rohstoffpreisen", sagte ZEW-Präsident Wolfgang Franz, der auch den Rat der Wirtschaftsweisen leitet. Zunehmende Inflationsgefahr könne zudem die Europäische Zentralbank (EZB) dazu veranlassen, die Leitzinsen weiter anzuheben. In der vorigen Woche hatten die Währungshüter erstmals seit knapp drei Jahren die Zinsen erhöht, was tendenziell die Kredite für Unternehmen und Verbraucher teurer macht.

Generell gebe es eine gewisse Unsicherheit, wie lange die jetzige Hochkonjunktur in Deutschland noch anhalten kann, erklärte Franz. Der ZEW-Index für die aktuelle Wirtschaftslage ist im April sogar noch um 1,7 auf 87,1 Punkte gestiegen.

"Wenn fast alle Experten glauben, dass die Lage schon exzellent ist, bleibt nur noch wenig Spielraum, eine weitere Verbesserung zu erwarten", sagte Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding. Der Marktkenner geht allerdings davon aus, dass das deutsche Wachstum im Frühjahr und Sommer nach einem sehr guten Start in das Jahr 2011 etwas an Dynamik verliert.

Zwiespältig fallen die jüngsten Prognosen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus: Die Berliner Forscher haben gestern zwar ihre Konjunkturprognose für 2011 von zuvor 2,2 Prozent auf 2,7 Prozent hochgesetzt. Für das nächste Jahr erwarten sie aber nur noch eine Zunahme der Wirtschaftsleistung um 1,4 Prozent.

Einer der Gründe dafür: "Der Außenhandel wird an Schwung verlieren, wobei das Wachstum der Importe leicht über dem Wachstum der Exporte liegt", so DIW-Experte Ferdinand Fichtner. Die Arbeitslosenquote, die laut der Studie in diesem Jahr von 7,7 Prozent auf 7,2 Prozent deutlich zurückgeht, werde nur noch geringfügig weiter auf 7,1 Prozent sinken.

"Irgendwann erlahmt ein Aufschwung", meint auch Chefvolkswirt der Hamburger Sparkasse, Jochen Intelmann, zumal der Aufholeffekt nach dem drastischen Absturz des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2009 nachlasse: "Voraussichtlich Ende 2011 werden wir wieder das Niveau aus der Zeit vor der Krise erreicht haben."

Genauso sieht es Matthias Thiel, Ökonom bei dem Privatbankhaus M.M. Warburg & CO: "Das Expansionstempo wird sich so nicht fortsetzen können." Dennoch bleibe das fundamentale Bild für die deutsche Wirtschaft sehr positiv. Thiel rechnet für 2011 sogar mit einem Wachstum von 3,1 Prozent.

Zwar berge die Situation in Japan noch Unsicherheiten, die negativen Effekte auf die Konjunktur in Deutschland seien aber wahrscheinlich begrenzt: "Wir erwarten derzeit, dass Abnehmer auf ihre Produkte allenfalls etwas länger warten müssen, weil Zulieferungen aus Japan stocken."

Auch die Risiken aus dem höheren Ölpreis seien überschaubar, meint Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen. "Höhere Ausgaben für Energie bremsen den privaten Konsum etwas", räumt er ein. Insgesamt werde das deutsche Wachstum durch den Rohölpreisanstieg aber um etwa 0,5 Prozentpunkte niedriger ausfallen. Mittelfristig habe eine Verteuerung des Rohstoffs auch positive Auswirkungen auf deutsche Unternehmen, weil die Exporte in die Förderländer von deren höheren Einnahmen profitieren könnten.

Allerdings treiben nicht zuletzt die Ölpreise die Inflationsrate hoch. Die Verbraucherpreise kletterten im März wie schon im Februar um 2,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt gestern mitteilte. Damit lag die Inflation weiter oberhalb der Warnschwelle der EZB von knapp unter zwei Prozent.

Weil aber vor allem häufig gekaufte Waren wie Benzin und Lebensmittel spürbar teurer geworden sind, liegt die "gefühlte" Inflation noch um ein Vielfaches höher. "Für März erwarten wir einen Wert deutlich über fünf Prozent", sagte der Statistikprofessor Hans Wolfgang Brachinger von der Universität Fribourg in der ARD.