Hamburger warten zum Jubiläum mit medizinischer Innovation und Rekordgewinn auf

Hamburg. Eine der größten Hamburger Erfolgsgeschichten begann mit einem Flop. Damals, Ende des 19. Jahrhunderts, als der Apotheker Oscar Troplowitz, Erfinder der Niveacreme, ein Wundpflaster entwickeln wollte, das sich leicht von der Haut löst. Er entwickelte eine Masse - aber für ein Pflaster klebte sie zu fest. Troplowitz brachte das Produkt unter dem Namen Citoplast zum Flicken von Fahrradschläuchen auf den Markt.

Aus Citoplast wurde vor 75 Jahren das Klebeband Tesa. Es war der Startschuss für eine neue Sparte bei Beiersdorf. Derzeit ist es mit seinen insgesamt 3700 Mitarbeitern erfolgreicher denn je. Mit einem Umsatz von 882 Millionen Euro und einem Ergebnis vor Zinsen und Steuern in Höhe von 99,6 Millionen Euro hat die Tochtergesellschaft von Beiersdorf 2010 nicht nur Rekordwerte erzielt, sondern auch die Voraussetzungen für weiteres Wachstum in diesem Jahr geschaffen. "Wir sind heute stärker aufgestellt als vor der Krise", sagte Tesa-Chef Thomas Schlegel. "Wir haben ein tolles Zukunftspotenzial, eine volle Produktpipeline und sind in neue Märkte gegangen."

Im kommenden Jahr will das Unternehmen, dessen Name schon Anfang des vorigen Jahrhunderts von der damaligen Beiersdorf-Sekretärin Elsa Tesmer erfunden wurde, ins Pharmageschäft einsteigen. Tesa hat vergangene Woche die Zulassung zur Herstellung pharmazeutischer Klebestreifen als Träger von Arzneimitteln erhalten. Sie werden oral, also über den Mund, oder über die Haut vom Körper aufgenommen. "Das kann Spritzen oder die Einnahme von Tabletten ersetzen. Wir treten damit in einen völlig neuen Markt ein, der überproportional wächst", beschreibt Schlegel die Perspektiven. Er schätzt das Marktvolumen weltweit auf eine Milliarde Euro. Bis 2015 will Tesa einen Anteil von fünf bis zehn Prozent erreichen. Bereits angelaufen ist eine andere Klebetechnik, mit der auch extrem schwere Gegenstände ohne Bohren oder Hämmern an Wänden oder anderen Flächen fest montiert werden können. Hier beträgt das Marktvolumen ebenfalls rund eine Milliarde Euro. "Bis 2018 wollen wir davon zehn Prozent abdecken", so Schlegel. "Die Kunden dafür stammen vor allem aus der Industrie, darunter sind beispielsweise Autohersteller. Unsere neuen Produkte werden für die Branche insbesondere mit einem Modellwechsel interessant", begründet er die langfristige Planung.

Rund 75 Prozent seines Geschäfts macht das Unternehmen mit Industriekunden. Neben der Autobranche sind dies vor allem Elektronikhersteller. Klebefolien von Tesa halten PC-Displays, Handys oder Fernseher zusammen und sorgen dafür, dass Solarzellen auf dem Dach bleiben. Das Unternehmen gehört zu den weltweit drei größten Anbietern in den betreffenden Geschäftsfeldern. "Wir wachsen schneller als der Markt und haben keine Angst vor der Konkurrenz", sagt Schlegel und begründet dies damit, dass Tesa ständig auf der Suche nach innovativen Geschäftsfeldern und Produkten ist.

Für Privatkunden etwa wurde ein wasserfester Powerstrip entwickelt, mit dem sich bis zu zwei Kilo schwere Gegenstände wie Seifenhalter an Wände oder Kacheln im Badezimmer befestigen lassen. Auch hier macht Tesa Schrauben- und Dübelherstellern Konkurrenz. Für das Auto gibt es neue, aufklebbare Streifen, die bei kleinen Einparkfehlern Kratzer im Lack verhindern. Auch beim traditionellen Tesafilm sind noch Neuerungen möglich: So bietet die Firma umweltfreundliche Klebebänder aus größtenteils recycelten und nachwachsenden Rohstoffen an.

Schlegel könnte im Jubiläumsjahr zufrieden sein, wenn es da nicht doch noch eine für die gesamte Industrie schwierige Situation gäbe. Zwar ist Tesa kaum von den Folgen der verheerenden Katastrophe in Japan betroffen. "Aber wir spüren die hohen Rohstoffpreise. Das gilt für die meisten unserer Rohstoffe wie Naturkautschuk oder Harze." Deshalb werde Tesa seine Preise in diesem Jahr im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich anheben. "Zudem bauen wir unser Einkaufsnetz internationaler aus", so der Tesa-Chef, der in diesem Jahr wohl häufiger an Elsa Tesmer denken wird.