In Hamburg leiden japanische Gastronomen unter der Krise. Viele Gäste fürchten sich vor radioaktiv belastetem Essen

Hamburg. Mit Bedacht wischt er über die Holztheke. Vereinzelt stehen noch Teebecher und Suppenteller auf den Tischen, die letzten Gäste haben gerade bezahlt. Das Mittagsgeschäft ist vorbei. Hideaki Morita, 51, bleiben nun einige Stunden, bis die nächsten Gäste kommen. Zumindest hofft er darauf.

Denn seit der Naturkatastrophe in Japan ist es ruhig geworden im Matsumi in den Colonnaden, eines der angesehensten japanischen Restaurants der Stadt. Zu ruhig für den japanischen Küchenchef und seine deutsche Geschäftspartnerin Petra Garling, 47. "Heute ging es ganz gut, aber die Tage zuvor haben wir einen deutlichen Rückgang bei den Gästezahlen bemerkt", sagt sie. Zum Beweis blättert sie in dem schwarz eingebundenen Reservierungsbuch. "Kein freier Tisch mehr" ist darin auf vielen Seiten zu lesen. Bis zu jenem 11. März. "Eine ähnliche Krise haben wir erst einmal in 13 Jahren durchmachen müssen - nach den Terroranschlägen in New York 2001", erzählt Petra Garling. Das Matsumi ist besonders bei Japanern beliebt. Studenten und Geschäftsleute, die temporär oder dauerhaft in der Hansestadt leben, schätzen die original japanische Küche. Sie bleiben seit den Ereignissen fern, nach fröhlichen Runden bei Sushi und Sake ist den wenigsten. Die deutschen Gäste haben andere Beweggründe, das sonst gut gefüllte Restaurant zu meiden - Angst vor radioaktiv belastetem Essen.

Die Sorgen kann Petra Garling nachvollziehen. Allerdings sind sie unbegründet. "Unseren Fisch beziehen wir vom Großmarkt, lediglich den Gelbschwanz haben wir importiert und dies jetzt eingestellt." Weitere Produkte, etwa die Sojasaucen der Firma Kikkoman, werden in den Niederlanden hergestellt. Mithilfe von Aufklärungsarbeit versuchen die Inhaber des Matsumi die Gäste zu beruhigen - wie andere betroffene Gastronomen und Einzelhändler.

Rund 100 Niederlassungen japanischer Firmen, schätzt die Handelskammer, gibt es derzeit in Hamburg. Manche von ihnen, beispielsweise Japan Feinkost am Grindelberg, bemerken nach eigenen Angaben nichts von nachlassender Kauflaune. Das Marktforschungsunternehmen GfK rechnet ebenfalls nicht damit, dass sich die Ereignisse in Japan auf das Konsumverhalten hierzulande in größerem Umfang auswirken. Doch könnten japanische Lebensmittel von den Verbrauchern gemieden werden. "Die Menschen sind verunsichert, weil es sich um eine abstrakte Bedrohung handelt", sagt der GfK-Experte Rolf Bürkl.

Viele Fragen müssen die Verkäufer zumindest bei Muji in den Großen Bleichen beantworten. Vor einem Jahr eröffnete die japanische Lifestylekette ihre Hamburger Filiale, bietet puristische Möbel und Mode an. "Die Kunden haben Angst vor der Radioaktivität", sagt Deutschland-Manager Yuki Hirano. "Alle derzeit erhältlichen Produkte sind aber lange vor der Katastrophe importiert worden, zudem befinden sich unsere Manufakturen nicht in dem Unglücksgebiet." Für die nächsten Wochen befürchtet Hirano keine Lieferengpässe, vertraut auf eine Beruhigung der Lage. Mehr, so Gastronomin Petra Garling, bleibe wohl auch ihnen nicht übrig.