Hamburger Biotechfirma Evotec schreibt erstmals Gewinne. Schon 100 Firmen der Branche sitzen in der Hansestadt.

Hamburg. Er kam vor gut zwei Jahren nach Hamburg, krempelte das Biotechunternehmen Evotec um - und hat erreicht, was kaum jemand mehr zu glauben wagte: Unter dem Österreicher Werner Lanthaler hat Evotec erstmals seit seiner Gründung vor 18 Jahren Gewinne gemacht. Unter dem Strich stand 2010 ein Plus von drei Millionen Euro - nach einem Verlust von 45,5 Millionen Euro im Vorjahr. Der Umsatz kletterte um 29 Prozent auf 55 Millionen Euro und soll dieses Jahr bei 64 bis 66 Millionen liegen.

Zuvor hatte Lanthaler mehr als 50 der früher 200 Stellen in der Stadt abgebaut und eine Tochterfirma in den USA geschlossen. Gleichzeitig hat Evotec international zugekauft, unter anderem auch ein Unternehmen in Indien. Zudem wurde die Forschungsarbeit im Auftrag von Pharmafirmen zur Entdeckung neuer Wirkstoffe gegen Krankheiten ausgebaut und die extrem teure und riskante Entwicklung eigener Wirkstoffe heruntergefahren.

Inzwischen arbeitet das Unternehmen mit weltweit 70 Pharmakonzernen zusammen, darunter Boehringer Ingelheim, AstraZeneca, Johnson & Johnson, Roche und Pfizer. Die Hamburger entwickeln und testen innovative Wirkstoffe für künftige Arzneimittel im Auftrag der Konzerne. Dabei geht es um Stoffwechselkrankheiten, Probleme des zentralen Nervensystems und Krebs. Derzeit haben es fünf Präparate bereits in die klinische Forschung geschafft und damit eine große Hürde überwunden. Denn zahlreiche Neuentwicklungen scheitern vorher.

"Immer mehr Pharmakonzerne verlagern Teile der Forschung für Innovationen nach außen. Der Markt dafür wird bereits auf ein Volumen von rund 20 Milliarden Dollar weltweit geschätzt. Wir wollen zwei bis vier Milliarden Euro davon verbuchen", sagte Lanthaler. Allerdings müsse Evotec schon jetzt mangels Personal Aufträge ablehnen. "Wir stellen jeden Forscher ein, der zu uns passt", sagt der Evotec-Chef, dessen Firma auch eine Forschungskooperation mit der US-Universität Harvard eingegangen ist. Seit der Gründung von Evotec 1993 hat sich Hamburg zur Metropole für die Biotechnologie entwickelt. Rund 100 Firmen mit mehr als 4500 Mitarbeitern befassen sich nach Angaben der Agentur Norgenta, die im Auftrag von Hamburg und Schleswig-Holstein die Branchenaktivitäten betreut, mit dem Thema. Und es kommen immer mehr. Allein seit dem Jahr 2005 ist die Zahl der Firmen aus diesem Bereich in der Hansestadt um zehn Prozent gewachsen.

Der Schwerpunkt der Branche liegt in der medizinischen Biotechnologie. Ziel ist eine maßgeschneiderte Therapie für kranke Patienten. Ein Unternehmen mit Weltruf ist Indivumed. Die Firma sammelt Gewebeproben von Krebskranken und analysiert sie - und hat seit ihrer Gründung im Jahr 2002 eine der weltweit größten Gewebedatenbanken aufgebaut. "Diese Daten machen wir Forschungsinstituten und der Pharmaindustrie zugänglich. Zudem verdienen wir Geld mit Dienstleistungen wie der Untersuchung von Gewebe", sagt Hartmut Juhl, Hauptgesellschafter und Mitgründer des Unternehmens. Anfangs hatte er 20 Mitarbeiter, heute sind es gut 100.

Zu einer schlagkräftigen Forschungsallianz hat sich Neu{++}², ein Verbund der Uniklinik Eppendorf, des Kieler Unternehmens Bionamic, der Hamburger Evotec und des Pharmaunternehmens Merck zusammengeschlossen. Die Firmen bekommen bis 2014 vom Bund bis zu 39 Millionen Euro an Fördermitteln. Ziel der Forschung ist es, Medikamente gegen Krankheiten wie multiple Sklerose, Alzheimer oder Parkinson effizienter zu entwickeln. Evotec betreibt zudem mit der Hansestadt das Projekt Screening-Port. Dabei überlässt das Unternehmen Universitäten und anderen staatlichen Forschungsstellen seine Technik, mit der neue Wirkstoffe gefunden werden. "Das Projekt läuft sehr gut", sagt Lanthaler.

Evotec wird dieses Jahr seine neue Firmenzentrale in Ochsenzoll im ehemaligen Gebäude des US-Pharmakonzerns Eli Lilly einweihen. "Von den zwölftausend Quadratmetern Fläche werden wir zehntausend beziehen. Weitere 2000 stellen wir Neugründungen aus unserem Bereich zur Verfügung", sagt Lanthaler.

Der Komplex bekommt den Namen Manfred Eigen Campus. Eigen, der 1967 den Nobelpreis für Chemie erhielt, war einer der Gründer von Evotec. Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) will auch in Zukunft mit einer noch engeren Verzahnung von Wirtschaft und Forschung weitere Firmen aus dem Gesundheitsbereich in die Stadt holen. "Unser erklärtes Ziel ist die Ansiedlung neuer Unternehmen aus den Bereichen Medizintechnik und Gesundheitswirtschaft. Mit dem UKE und der Norgenta haben wir die besten Voraussetzungen dazu", sage er. Auch Norgenta-Chefin Kathrin Adlkofer ist zuversichtlich. "Wir hoffen, dass die Zahl der Biotechfirmen in Hamburg in den kommenden Jahren um zehn Prozent wachsen wird", sagte sie dem Abendblatt.