Sparpaket gescheitert. Regierungschef Sócrates zurückgetreten. Heute EU-Gipfel

Lissabon. Im hoch verschuldeten Euro-Land Portugal hat die Opposition gestern Abend, wenige Stunden vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel, ein Sparpaket der Minderheitsregierung abgelehnt. Bei einer Abstimmung im Parlament votierten alle Parteien der Opposition in Lissabon gegen die Vorschläge von Ministerpräsident José Sócrates. Kurz danach reichte der 53-jährige Regierungschef, wie erwartet, seinen Rücktritt ein. "Die Opposition hat nicht nur das Sparpaket, sondern das gesamte Land blockiert", klagte Sócrates in einer im Fernsehen übertragenen Rede an die Nation.

Der Ministerpräsident, der seit März 2005 im Amt war, hatte zuletzt mehrfach erklärt, er werde auf keinen Fall externe Finanzhilfe beantragen. Portugals Staatspräsident Anibal Cavaco Silva nahm seinen Rücktritt am späten Abend an. Er muss nun Neuwahlen ausrufen. Es war bereits das vierte Sanierungsprogramm, das die regierenden Sozialisten innerhalb der vergangenen elf Monate präsentierten. Bislang hatte die Opposition alle Sparpakete mitgetragen.

Nach einem Negativ-Rekord von rund 9,4 Prozent 2009 und den für 2010 angepeilten 7,3 Prozent wollte Portugal sein Haushaltsdefizit dieses Jahr auf 4,6 Prozent drücken. Dazu verabschiedete das Parlament für 2011 einen umstrittenen Staatshaushalt mit nie da gewesenen Spar- und Sanierungsmaßnahmen. Die Ausgaben für Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst sollen um fünf Prozent gekürzt werden, die Mehrwertsteuer stieg von 21 auf 23 Prozent. die Sozialleistungen werden gekürzt, die Renten eingefroren.

Jetzt wird es immer wahrscheinlicher, dass Portugal nach Griechenland und Irland Finanzhilfen von den Mitgliedsländern der Euro-Zone beantragen könnte. Die Rendite für zehnjährige portugiesische Staatspapiere stieg gestern auf bis zu 7,861 Prozent, den höchsten Wert seit der Einführung des Euro.

Folge der Unsicherheit auf den Finanzmärkten war gestern ein sinkender Euro-Kurs. Die Gemeinschaftswährung fiel auf bis zu 1,4103 Dollar und war damit rund einen US-Cent billiger als im späten US-Vortagesgeschäft.

Themen, die heute auf dem EU-Gipfel in Brüssel für Brisanz sorgen werden. Schon jetzt scheint klar, dass sich die Aufstockung des Rettungsfonds EFSF verzögern wird. Wie aus einem Entwurf hervorgeht, sollen die Modalitäten der schon vereinbarten Stärkung des EFSF auf ein effektives Kreditvolumen von 440 Milliarden Euro voraussichtlich nicht jetzt, sondern erst Ende Juni festgelegt werden. Zudem fordert die Bundesregierung mehr Zeit zum Aufbau des Kapitalstocks für den künftigen Euro-Rettungsschirm ESM. Erst am Montag hatten die EU-Finanzminister vereinbart, dass der von 2013 an gültige Krisenfonds mit einem Kapitalvolumen von 700 Milliarden Euro ausgestattet werden soll - Deutschland soll dafür mit 190 Milliarden Euro den größten Betrag beisteuern.