Konkurrenten wollen auf starke Position der Lufthansa reagieren. Auch Air Berlin gilt als möglicher Übernahmekandidat

Hamburg. Die Lufthansa ist mit der Übernahme von Austrian Airlines und British Midland in den vergangenen Jahren zur größten Fluggesellschaft Europas aufgestiegen. Nun rüsten sich die Konkurrenten des deutschen Luftfahrtkonzerns zur Aufholjagd. Besonders ehrgeizige Pläne hat der neue Verbund aus British Airways (BA) und der spanischen Iberia: Vorstandschef Willie Walsh hat eine Einkaufsliste zusammengestellt, auf der nach seinen Angaben nicht weniger als zwölf Namen stehen - die er aber nicht nennt. Und Air France/KLM plant einem Bericht der französischen Zeitung "La Tribune" zufolge eine Umorganisation, um andere Gesellschaften leichter in den Konzern integrieren zu können.

Rund um die Welt gibt es nur eine Handvoll Hersteller von Verkehrsflugzeugen, aber mehr als 500 Fluggesellschaften - daran haben auch die Krisen der Branche im vergangenen Jahrzehnt nichts geändert. Doch vieles deutet darauf hin, dass in diesem Jahr erhebliche Bewegung in die europäische Luftverkehrswirtschaft kommt.

Zwar steigen die Passagierzahlen längst wieder. "Aber Überkapazitäten sind nach wie vor da", sagt Ingo Schmidt, Analyst der Haspa. "Es gibt nur sehr wenige Fluggesellschaften, die sich operativ in den schwarzen Zahlen befinden", ergänzt Martina Noß, die Luftfahrtexpertin der Nord/LB. In den vergangenen Wochen ist noch ein neuer Belastungsfaktor hinzugekommen: "Der steigende Treibstoffpreis übt erheblichen Druck auf alle Fluggesellschaften aus", erklärt Gerd Pontius, Vorstand der auf die Luftfahrt spezialisierten Hamburger Unternehmensberatung Prologis. Bei dem noch sehr ausgeprägten Wettbewerb in Europa sei es schwer, die höheren Kerosinpreise vollständig an die Kunden weiterzugeben, so Noß. Daher werde auch 2011 ein schwieriges Jahr für die Branche.

Je größer eine Fluglinie allerdings ist, umso bessere Konditionen erhält sie beim Flugzeug- und Treibstoffeinkauf oder auch bei den Versicherungen. "Die Diskussion über die Konsolidierung wird derzeit von denjenigen getrieben, die gern übernommen werden wollen", sagt Pontius. Als wahrscheinlichste Kandidaten dafür gelten in Fachkreisen unter anderem die Langstrecken-Airline Virgin Atlantic, die mehrheitlich dem britischen Multi-Unternehmer Sir Richard Branson gehört, sowie die portugiesische TAP, die skandinavische SAS, Finnair, LOT aus Polen sowie Czech aus der Tschechischen Republik.

Doch auch Air Berlin wird in diesem Zusammenhang genannt. "Zwar sind die Margen dort knapp, aber die Gesellschaft hat ein stimmiges, in sich geschlossenes Streckennetz in Europa", sagt Martina Noß. Damit könne Air Berlin ein interessanter Übernahmekandidat sein - nicht zuletzt für eine Fluggesellschaft außerhalb Europas. In der Vergangenheit war Etihad Airways aus dem Emirat Abu Dhabi als möglicher Investor gehandelt worden. Aber auch Qatar Airways könnte Interesse haben.

Ohnehin sind es gerade die schnell wachsenden Konkurrenten aus der Golfregion, allen voran Emirates mit künftig allein 90 Mega-Jets vom Typ Airbus A380, die jetzt den Wettbewerb anheizen. "Natürlich müssen die europäischen Airlines eine Antwort auf die Herausforderung durch Emirates finden, denn dieser Wettbewerber ist eindeutig auf der Überholspur", sagt Pontius. Dabei seien die größten europäischen Anbieter und ihre internationalen Kooperationspartner jedoch unterschiedlich stark betroffen: "Lufthansa kann sich gegenwärtig mit der Star Alliance in einer Führungsrolle sehen und steht weniger unter Handlungsdruck als die anderen Allianzen."

Doch auch Schwergewichte wie BA/Iberia und Air France/KLM müssen die Vor- und Nachteile von Übernahmen nach Einschätzung der Experten sorgfältig abwägen: "Man muss schon stark aufgestellt sein, um die Restrukturierung eines zugekauften Unternehmens bewerkstelligen zu können", sagt Schmidt. So müssen hinreichende Managementkapazitäten vorhanden sein, außerdem sind Kosten für Sozialpläne einzukalkulieren, ganz abgesehen von den unabsehbaren Risiken, die sich durch schwer vereinbare Firmenkulturen ergeben können. Daher werde nicht jede schwächelnde Airline einen Käufer finden, sagt Nord/LB-Analystin Noß: "Einige kleinere Fluggesellschaften werden einfach vom Markt verschwinden." An der generellen Tendenz zur Konsolidierung ändert das aber nichts. "Ohne Zweifel werden wir eine noch intensivere Zusammenarbeit sehen", erwartet Pontius.

Dies müsse nicht immer einen Zukauf bedeuten. Vor allem aufgrund von politischen Restriktionen sind interkontinentale Zusammenschlüsse bisher ohnehin meist auf Minderheitsbeteiligungen beschränkt. Daher ist sich Pontius sicher: "Bis wir signifikante Zukäufe über die Kontinente hinweg sehen, wird es noch einige Jahre dauern."