Zinsen für verschuldete Länder steigen vor dem Brüsseler Sondergipfel zur Schuldenkrise

Hamburg. Das Enttäuschungspotenzial ist hoch, wenn sich heute die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder in Brüssel zu einem Sondergipfel treffen. So sprach EU-Währungskommissar Olli Rehn im Vorfeld davon, die europäischen Politiker würden sich auf eine "überzeugende und umfassende Strategie" verständigen, um die "Staatsschuldenkrise zu überwinden".

Doch Experten zweifeln daran. "Das wird nicht der große Befreiungsschlag", sagt Andreas Rees, Deutschland-Chefökonom der UniCredit, dem Abendblatt. Auch am Finanzmarkt sind die Erwartungen an das Treffen offenbar gering, in den vergangenen Tagen sind die Renditen von Staatsanleihen der hoch verschuldeten Länder Griechenland, Irland, Portugal und Spanien wieder gestiegen.

"Die Nervosität ist wieder voll da", sagt Christoph Weil, Volkswirt bei der Commerzbank. Daran dürfte der Sondergipfel nach seiner Einschätzung nichts ändern: "Die Risikoprämien werden nicht sinken."

Denn zwischen der Sicht der Politik auf das Schuldenproblem und der Sicht der Investoren gebe es einen grundlegenden Unterschied, sagt Weil: "Die Regierungen gehen davon aus, dass Griechenland und Irland nur ein Liquiditätsproblem haben. Der Markt aber sieht zumindest Griechenland als überschuldet an." Solange keine Umschuldung der Staatsanleihen komme, werde sich der Finanzmarkt nicht beruhigen. Doch davor drückten sich die nördlichen Euro-Länder, weil aus den von ihnen gewährten Garantien dann echte Zahlungen würden.

Eines der Hauptziele der Bundesregierung ist ein Pakt zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Länder, der Elemente einer gemeinsamen europäischen Wirtschaftsregierung enthält. Vorgeschlagen wurde unter anderem, das Renteneintrittsalter heraufzusetzen, inflationsgebundene Löhne abzuschaffen und Schuldenbremsen in die Verfassungen aufzunehmen. "Hierzu wird man sich auf einige Eckpunkte einigen, aber man wird eher weiche Formulierungen wählen", erwartet Rees. "Das Problem all dieser Maßnahmen ist, dass es keine Mittel gibt, ihre Umsetzung zu erzwingen", ergänzt Weil. "Aber ohne Druck wird es nicht gehen. Die Hoffnung, dass sich die Vernunft durchsetzt, würde ich nicht zu hoch hängen."

Auf dem Sondergipfel, der ein reguläres Treffen der Staats- und Regierungschefs am 24./25. März vorbereitet, wird voraussichtlich auch über eine Aufstockung des aktuellen Rettungsschirms gesprochen. Der Fonds kann am Markt derzeit nur 250 Milliarden Euro aufnehmen und nicht 440 Milliarden, wie ursprünglich gedacht. Beobachter gehen davon aus, dass Deutschland, die Niederlande und Finnland allenfalls zusagen wollen, den Fonds bei akutem Bedarf auszuweiten, nicht aber schon vorsorglich.

Auch über den Wunsch Griechenlands und Irlands, weniger Zinsen auf die ihnen gewährten Hilfen zahlen zu müssen, dürfte diskutiert werden. Vor wenigen Tagen hatte EU-Kommissar Rehn bereits Verständnis für diesen Wunsch signalisiert. Rees jedoch hält das für keine gute Idee: "Damit wird der Anreiz, unter den Rettungsschirm zu schlüpfen, vergrößert."