Second-Life-Gründer Philip Rosedale formuliert in diesen Tagen hochtrabende Ziele. „Das dreidimensionale Internet wird immer mehr zum beherrschenden Trend. Und wir werden der Anführer dieser neuen Kategorie sein“, sagte er der englischen Zeitung „Guardian“. Zumindest die Nutzerzahlen legen nahe, dass es ein Bedürfnis nach einer virtuellen 3D-Welt im Internet gibt: Rund 6,6 Millionen Menschen haben sich bei Second Life angemeldet. Immerhin 20.000 bis 40.000 von ihnen sind gleichzeitig online.
Doch der Second-Life-Hersteller Linden Lab musste sich zuletzt Kritik anhören. Es gebe kein Spielziel, zu viele Systemabstürze, Second Life sei langweilig und die Grafik schlecht. Hinzu kamen Kinderpornografie-Vorwürfe: Second-Life-Mitglieder hatten laut einem Bericht des ARD-Magazins „Report“ Sexszenen mit Minderjährigen nachgespielt. Die Staatsanwaltschaft Halle ermittelt. Nun wittern die Second-Life-Wettbewerber ihre Chance.
Das Science-Fiction-Universum
Der derzeit viel versprechendste Angreifer ist „Entropia Universe" von der schwedischen Firma Mindark. Entropia ist eine Science-Fiction-Welt, in der Siedler einen Planeten erobern müssen. Mindark verknüpft dabei Elemente aus Second Life mit denen eines Online-Rollenspiels wie „World of Warcraft“. Zum einen sollen sich die Teilnehmer in Abenteuer stürzen, Monster töten und an einer Hintergrundgeschichte teilnehmen. Zum anderen ist es möglich, sich wie in Second Life um die Entwicklung seiner Spielfigur („Avatar“) zu kümmern: Land kaufen, ein Haus bauen, mit anderen Figuren kommunizieren, durch die Städte ziehen. Und vor allem: handeln.
Second Life ist groß geworden, weil es virtuelles Geld mit dem realen Wirtschaftskreislauf verknüpft hat. Die „Linden Dollars“ gibt’s gegen echtes Geld. So ist ein reger Handel entstanden: Firmen wie Adidas verkaufen virtuelle Turnschuhe – und erzielen damit reale Umsätze.
Dieses Prinzip setzt auch Mindark ein. Die Währung heißt PED, zehn PED entsprechen einem US-Dollar. Für den Umtausch gibt es virtuelle Geldautomaten, die in der Entropia-Welt aufgestellt sind. Eine Abbuchung kostet reales Geld: Neben dem Umtauschwert werden eine Gebühr von 1,5 Prozent, mindestens aber zehn US-Dollar fällig.
Mindark plant sogar ein umfangreiches Bankensystem. Entropia-Kreditinstitute sollen virtuelles Geld verleihen und dafür Zinsen nehmen können. Die Arbeit will Mindark nicht selbst übernehmen. Es verkaufte vor wenigen Tagen fünf Banklizenzen für 404.000 Dollar. Ergattert haben sie unter anderem der russische Internet-Bezahldienst Moneta.ru und die Chinesin Anshe Chung. Sie ist bereits aus Second Life bekannt. Dort verkaufte sie in großem Stil virtuelle Grundstücke und erzielte damit einen Umsatz von mehreren hunderttausend Euro. An ihrer Firma, den Anshe Chung Studios, sind auch die deutschen Jamba-Gründer Marc, Oliver und Alexander Samwer beteiligt.
Wer bei Entropia mitmachen möchte, muss zunächst eine rund ein Gigabyte große Datei aus dem Internet überspielen. Ein Pluspunkt: Technisch ist das Spiel dem berühmten Wettbewerber überlegen. Es sieht hübscher aus, die dreidimensionale Grafik stockt seltener. Allerdings hat Entropia deutlich weniger registrierte Nutzer: nach eigenen Angaben sind es 580.000.
Sony braucht ein Kaufargument für die Playstation
Inspiriert hat Second Life auch Sony. Der japanische Konzern ist mit der Playstation 3 ins Straucheln geraten. Nintendo verkaufte von seiner Spielkonsole Wii beispielsweise im April auf dem US-Markt viermal mehr Exemplare als Sony. Jetzt will der Konzern die Wende schaffen – unter anderem mit einem Second-Life-Klon namens „Playstation Home“. Jeder Playstation-Besitzer wird diesen Dienst ab Herbst kostenlos nutzen können. „Home“ ist eine Kommunikations- und Spieleplattform in Gestalt einer dreidimensionalen Welt. Jeder Teilnehmer erstellt einen Avatar und erhält für diesen eine eigene Wohnung, die mit Möbeln individuell eingerichtet werden kann. Dorthin lädt er dann Bekannte ein - um mit ihnen beispielsweise auf einem virtuellen Fernseher einen echten Film anzuschauen.
Neben der eigenen Wohnung gibt es öffentliche Plätze, auf denen die „Home“-Teilnehmer gemeinsam Basketball oder Billard spielen. Auch „Home“ ist grafisch deutlich aufwendiger als Second Life. Und die Spieler können sich per Headset (Kopfhörer mit Mikrofon) einfach miteinander unterhalten. Unklar ist, ob es ein Währungssystem geben wird. „Wir haben viele Anfragen von Firmen bekommen, die in diese Welt investieren würden“, sagt Sony-Sprecher Stefan Dettmering WELT ONLINE. Allerdings gebe es dazu noch keine Entscheidung.
Japanischer Comic-Stil als Second-Life-Ersatz
Bereits seit 2003 auf dem Markt ist Gaia Online . Diese Welt ist zweidimensional und im japanischen Comic-Stil gehalten. Im Mittelpunkt der Internetseite stehen Diskussionsforen, in denen Ideen ausgetauscht und Geschichten erzählt werden. Zudem gibt es Chat-Räume und vor allem viele Mini-Spiele. Die Sieger streichen dort virtuelles Geld ein. Ein direkter Umtausch wie bei Second Life ist allerdings nicht möglich. Gaia-Teilnehmer müssen der Internetseite vielmehr eine „Spende“ mit echtem Geld machen. Im Gegenzug gibt es Überraschungen, die virtuelles Geld wert sind. Der bunte Mix hat Gaia Online eine große, aktive Gemeinschaft beschert: Nach eigenen Angaben hat die Seite täglich 300.000 Nutzer.
Das MTV-Second-Life
Auch eine deutsche Produktion drängt auf den Markt. Das Spielestudio 10tacle entwickelt derzeit für Viacom Deutschland eine „Multi-User-3D-Online-Welt“. Darin soll es um Inhalte aus dem MTV-Programm gehen. Details wurden noch nicht verraten. Viacom und 10tacle Studios hoffen aber, dass die neue Online-Welt „einen ähnlichen Status wie Second Life“ erreicht. Anvisierter Starttermin: 2008.
Linden Lab will die Konkurrenz unterdessen mit der Weiterentwicklung von Second Life auf Distanz halten. Am Dienstag gab das Unternehmen die Übernahme des Grafikspezialisten Windward Mark bekannt. Die Hoffnung: Mit der eingekauften Technologie wird Second Life endlich hübscher.
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