Bremer Staatsanwaltschaft prüft schwere Betrugsvorwürfe gegen Gründer von Beluga Shipping und leitende Mitarbeiter

Hamburg/Bremen. Gut eine Woche nach dem Rückzug des Reeders Niels Stolberg von Beluga Shipping hat die Staatsanwaltschaft Bremen Ermittlungen gegen den Gründer des Schifffahrtsunternehmens eingeleitet. Neben Stolberg wird gegen weitere leitende Angestellte ermittelt, und zwar wegen Betruges im besonders schweren Fall und wegen unrichtiger Darstellung. Das teilte die Staatsanwaltschaft gestern mit. Die Beschuldigten stünden im Verdacht, seit 2009 Umsätze im dreistelligen Millionenbereich falsch ausgewiesen und dadurch insbesondere Kapitalgeber getäuscht zu haben.

Stolberg, der sich seit seiner "Beurlaubung" in den vergangenen Tagen nicht geäußert hatte, sagte dem "Weser Kurier": "Ich werde mich dem Verfahren und den mir gegenüber erhobenen Vorwürfen stellen. Ich laufe nicht weg." Er wird nach eigenen Angaben von dem Frankfurter Wirtschaftsanwalt Hanns Feigen vertreten. Dieser äußerte sich mit Blick auf das laufende Verfahren nicht zu den Vorwürfen. Für die kommende Woche sei gemeinsam mit Stolberg ein Gespräch bei der Staatsanwaltschaft geplant. Zu Feigens früheren Mandanten zählte unter anderem der ehemalige Post-Chef Klaus Zumwinkel, der wegen Steuerhinterziehung 2008 und 2009 angeklagt war.

Stolberg und andere leitende Mitarbeiter mussten ihre Plätze bei Beluga vergangene Woche räumen, nachdem das Unternehmen offenbar in große finanzielle Bedrängnis geraten war. Im vergangenen Jahr hatte Stolberg die US-Investmentgesellschaft Oaktree als Anteilseigner in die Reederei geholt, weil bei der schnellen Expansion seiner Flotte von Schwergutschiffen frisches Kapital gebraucht worden war. Oaktree hält mittlerweile 49,5 Prozent an Beluga Shipping und hat beim Bundeskartellamt die Genehmigung zu einer Übernahme der Reederei eingeholt. Die Mehrheit hält offiziell nach wie vor Stolberg. Oaktree - spezialisiert auch auf die Sanierung von Unternehmen - hat nach dem Rückzug von Stolberg und seinen Mitarbeitern ein Interimsteam zur Führung von Beluga eingesetzt.

Aus einer Stellungnahme von Oaktree gestern wurde deutlich, was sich in den Wochen vor dem abrupten Wechsel an der Spitze von Beluga Shipping abgespielt haben soll. Demnach war Oaktree im Februar vom Beluga-Management um zusätzliche finanzielle Mittel gebeten worden und stellte sie zur Verfügung. Bei der Prüfung, wozu dieses Kapital gebraucht werde, sei man "auf finanzielle Unregelmäßigkeiten im Hinblick auf Umsatz und Liquidität des Unternehmens aufmerksam" geworden: "Infolgedessen benachrichtigte Oaktree die Behörden und stellte der Staatsanwaltschaft Bremen detaillierte Unterlagen zur Verfügung", heißt es in der Erklärung. "Weiterhin suspendierte Beluga aufgrund der Erkenntnisse von Oaktree einige leitende Mitarbeiter bis zum Abschluss der Untersuchungen von ihren Aufgaben."

Oaktree will zunächst vor allem den Betrieb von Beluga Shipping aufrechterhalten: "Oaktree unterstützt das Unternehmen zurzeit mit erheblichen finanziellen und operativen Ressourcen", heißt es. Die Reederei ist nach eigenen Angaben der weltweit führende Anbieter von Schwerguttransporten zur See. Beluga betreibt derzeit 65 Spezialfrachter, neun weitere sind im Bau.

Parallel zum Management des Tagesbetriebs arbeitet Oaktree an einer finanziellen Sanierung der Reederei. In der vergangenen Woche gab es Gespräche mit Geschäftspartnern und Kapitalgebern von Beluga Shipping. Die Zahlungsschwierigkeiten der Bremer Reederei schlagen sowohl auf Charterreedereien durch, die Beluga-Schiffe vermieten, wie auch auf Emissionshäuser und Banken, die von Beluga bestellte oder betriebene Schiffe finanziert haben. Bei den Gesprächen mit Oaktree ging und geht es darum, dass Gläubiger auf Zahlungen von Beluga Shipping in einem bestimmtem Umfang verzichten, um einen finanziellen Neustart der Reederei zu erleichtern.

Eine Reihe von Emissionshäusern hat in seinen Schiffsfonds Frachter, die jetzt für Beluga Shipping fahren. Beim Hamburger Emissionshaus HCI sind es nach eigenen Angaben 20 Frachter in insgesamt 17 Fonds. Welche Auswirkungen mögliche Zahlungsausfälle von Beluga auf die Kapitalanleger dieser Schiffe genau haben, steht bislang noch nicht fest. Betroffen sind auch Banken wie die Landesbank Bremen, zu deren Kunden Beluga Shipping nach eigenen Angaben zählt.

Stolberg hatte Beluga Shipping im Jahr 1995 mit einem Geschäftspartner gegründet und seit 2006 allein geführt. Noch Ende vergangenen Jahres behauptete er, dass die Reederei Umsatz und Gewinn 2010 gesteigert habe.