US-Investor will Bremer Reederei finanziell neu strukturieren. Anleger müssen möglicherweise auf Forderungen verzichten

Hamburg/Bremen. Bei der wirtschaftlich angeschlagenen Bremer Großreederei Beluga Shipping werden die Karten neu gemischt. Die US-Investmentgesellschaft Oaktree, der rund die Hälfte des Unternehmens gehört, arbeitet mit Beluga an einem Finanzierungsplan. Es gehe darum, sich mit den bei Beluga finanziell engagierten Parteien zu einigen, sagte eine Sprecherin des Kommunikationsunternehmens Hering Schuppener, das Oaktree vertritt, gestern dem Abendblatt. "Daran wird mit Hochdruck gearbeitet."

Bereits in der vergangenen Woche hatten Oaktree und Beluga Gespräche mit Banken, Emissionshäusern und Charterreedereien geführt, um Anleger und Geschäftspartner zum Verzicht auf finanzielle Forderungen zu bewegen. Eine Sprecherin von Beluga Shipping bestätigte gestern dem Abendblatt den Termin in Hamburg. Mehrere Emissionshäuser sind mit Eigenkapital für Schiffe bei Beluga investiert. So verzeichnet das Hamburger Emissionshaus HCI nach eigenen Angaben in 17 Fonds insgesamt 20 an Beluga vercharterte Schiffe.

Der Gründer und Chef von Beluga Shipping, Niels Stolberg, hatte das Unternehmen vergangene Woche überraschend verlassen und sich vorerst "beurlauben" lassen. Wie schwerwiegend die finanzielle Schieflage der Reederei ist, wurde bislang nicht bekannt. Man untersuche "mutmaßliche, erhebliche finanzielle Unregelmäßigkeiten in Bezug auf Umsatz und Liquidität", hatte Oaktree am Freitag mitgeteilt. Man habe die "Federführung für die Restrukturierung übernommen" und wolle Beluga als "globalen Marktführer" in seinem Segment der Schifffahrt stabilisieren.

Die Staatsanwaltschaft Bremen will sich heute zu einer Anzeige von Oaktree äußern und dazu, ob Ermittlungen aufgenommen werden müssen. Offenbar fühlt sich der US-Investmentfonds, den Stolberg im Jahr 2010 selbst ins Unternehmen geholt hat, vom Management über die finanzielle Lage falsch informiert. Oaktree hält derzeit 49,5 Prozent der Beluga-Anteile und hat vom Bundeskartellamt die Genehmigung erhalten, Beluga ganz zu übernehmen.

Stolberg hatte die Reederei im Jahr 1995 mit einem Geschäftspartner gegründet, seit 2006 führte er das Unternehmen allein. Mit schnellem Wachstum etablierte sich Beluga Shipping am Markt für Schwergutladungen und bezeichnete sich zuletzt stets als Weltmarktführer. 65 Schiffe hat die Reederei derzeit in Fahrt, neun sind im Bau.

Besonders viel steht angesichts der Krise bei Beluga für Bremen auf dem Spiel. Die Reederei galt in den vergangenen Jahren als die erfolgreichste in der Hansestadt, deren maritime Wirtschaft durch Zusammenbrüche von Reedereien und Werften lange Zeit schwer gebeutelt war. Nach Abendblatt-Informationen ist die Landesbank Bremen bei Beluga finanziell stark eingebunden. Eine Sprecherin der Bank sagte auf Anfrage: "Alle Zahlen in diesem Zusammenhang sind Spekulation. Für uns besteht durch die Lage bei Beluga keine Gefahr." Man stehe in Kontakt mit Reedereien und Schiffsfonds, die mit Beluga Shipping zusammenarbeiten.

Die Bremerhavener Lloyd Werft wiederum hat im Dezember einen Auftrag von Beluga über einen Kabelleger erhalten. Das 60 Millionen Euro teure Schiff soll im April 2012 geliefert werden. "Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass sich daran etwas ändern soll. Beluga hat uns aber für diese Woche zu einem Termin eingeladen, um über die aktuelle Situation zu sprechen", sagte Rüdiger Pallentin, der Sprecher der Geschäftsführung der Werft, dem Abendblatt. Das Schiff ist dafür vorgesehen, Stromkabel für den Transport von Windstrom an Land zu verlegen.

Aus Sicht des Hamburger Schifffahrtsexperten Jürgen Dobert war die Krise bei Beluga Shipping absehbar. Das Unternehmen habe in den vergangenen Jahren hohe Überkapazitäten bei den Schiffen aufgebaut und Neubestellungen auch in der zurückliegenden Krise nicht storniert. Als dann auch noch das nötige Anlegerkapital für neue Schiffe ausblieb, habe Stolberg den US-Investor Oaktree ins Unternehmen geholt. "Beluga Shipping ist ein typisches Gewächs des deutschen Schiffsfondsmarktes", sagt Dobert. "Die schnelle Flottenexpansion war nur mit dem Kapital deutscher Anleger möglich." Inzwischen aber habe die Krise auch den Schwergutmarkt erreicht.