HWWI-Direktor Straubhaar hält sie für die Quelle der Innovation. Süddeutsche Firmen überlegen, Produktion an die Elbe zu verlagern

Hamburg. Hamburg sollte sich als "die moderne Industriestadt Deutschlands" positionieren. Das sagte Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), dem Wirtschaftsrat der CDU in Hamburg. Er warnte davor, sich zu sehr auf den Dienstleistungssektor zu verlassen: "Man sieht an Irland, wohin das führen kann." Dienstleistungen seien heute ein Standard, mit dem man sich nicht mehr international differenzieren könne.

Vor allem sei die Industrie die Quelle der Innovation und müsse daher den Kern der Wirtschaft bilden, um den sich die Dienstleistungsbranchen gruppieren. Vor diesem Hintergrund solle sich Hamburg auf seine Stärken, vor allem die Luftfahrt, die Seeschifffahrt und den Medizin- und Gesundheitssektor, konzentrieren. Wichtig sei dabei das "Denken in Wertschöpfungsketten", sagte Straubhaar dem Abendblatt. So werde es immer wichtiger, für Industriegüter auch ein Finanzierungskonzept mit anbieten zu können.

Dabei könne Hamburg auf nationaler Ebene von steigenden Energiepreisen und damit höheren Transportkosten sogar profitieren: "Es gibt Überlegungen, dass süddeutsche Firmen Teile ihrer Produktionskette in die Nähe des Hamburger Hafens verlegen", sagte Straubhaar. Denn wenn Zulieferteile für Maschinen ohnehin aus aller Welt über den Hafen angeliefert würden, mache es wenig Sinn, sie erst nach Baden-Württemberg oder Bayern zu bringen, um dann die Fertigprodukte wieder über Hamburg zu exportieren. In diesem Zusammenhang sei es wichtig, weitere Industrieflächen bereitzustellen. "Es wäre aber völlig falsch, Grünflächen in der Stadt dafür zu nutzen, weil das die Lebensqualität schmälern würde", so der Wirtschaftsexperte. Zudem müsse bezahlbarer Wohnraum für junge Familien in Hamburg geschaffen werden.

Um dennoch weitere Industrie entlang der "Lebensader Elbe" ansiedeln zu können, komme es künftig auf eine verstärkte Kooperation Hamburgs mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein an, ohne dass dafür die Gründung eines Nordstaats nötig wäre. Für Hamburg sei es zudem wichtig, Fachkräfte anzuziehen - auch aus dem Ausland. Wenn schon mehr als 40 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund hätten, sei es umso dringender, diese Bevölkerungsgruppe auch als Lehrer und Professoren stärker einzubinden. "Da gibt es erheblichen Nachholbedarf", sagte Straubhaar. Wenn sich Englisch als Arbeitssprache an den Universitäten durchsetze, falle es wesentlich leichter, qualifizierte Kräfte aus dem Ausland anzuziehen.

Gleichzeitig solle die Durchlässigkeit im Bildungssystem verbessert werden. Ebenfalls universitäre Angebote für ältere Studierende regte Straubhaar an. Einer neuen Schulreform erteilte er jedoch eine klare Absage: "Die Schulen brauchen jetzt vor allem eines: eine Phase der Ruhe."