Leiharbeit und befristete Verträge nehmen zu. Forscher warnen vor Kluft in der Arbeitswelt

Hamburg. Erstmal einige unbezahlte Praktika, dann ein Job als freier Mitarbeiter und am Ende - mit Glück - eine befristete Festanstellung: Für immer mehr junge Deutsche sieht so der Einstieg ins Berufsleben aus. Normale Arbeitsverhältnisse, also unbefristete Vollzeitstellen, werden vor allem unter jungen Arbeitnehmern immer seltener.

Laut einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) liegt der Anteil der Erwerbstätigen, die sich in einem Normalarbeitsverhältnis befinden, bei rund 60 Prozent. Vor 15 Jahren betrug ihr Anteil noch zwei Drittel. Besonders betroffen von dieser Entwicklung sind Frauen. Von ihnen hat nur noch jede Zweite ein normales Arbeitsverhältnis, was mit der zunehmenden Bedeutung von Teilzeitjobs zusammenhängt. Von diesen gab es im vergangenen Jahr 8,7 Millionen. Vor 15 Jahren waren es nur halb so viele.

Deutlich gestiegen ist laut IAB auch die Zahl der befristeten Verträge. Jede zweite Neueinstellung erfolgt heute auf Zeit, vor zehn Jahren war es lediglich jede dritte. Für die Berufseinsteiger hat dies deutliche Folgen. Sie können nur schwer planen, müssen immer flexibel sein, der Aufbau einer eigenen Familie wird auf diese Weise schwieriger. "Die Arbeitswelt driftet auseinander", sagt IAB-Direktor Joachim Möller.

Vor allem aber leiden Leiharbeiter unter den neuen Gegebenheiten. Ihre Zahl hat sich von 180 000 Mitte der 90er-Jahre auf mehr als 800 000 im vergangenen Jahr erhöht - Tendenz weiter steigend. Nach Erkenntnissen der Forscher ist ihre Beschäftigungsdauer besonders kurz. Mehr als die Hälfte der Jobs dauert laut IAB noch nicht einmal drei Monate. Zugleich verdienen die Zeitarbeiter trotz gleicher Arbeit rund 20 Prozent weniger als ihre Kollegen aus der Stammbelegschaft.

Dies führt dazu, dass sich Leiharbeiter verstärkt von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen. Auch die befristeten Beschäftigten fühlen sich laut IAB weniger integriert als Arbeitnehmer mit unbefristeten Verträgen und Selbstständige. Als Folge könnten sogar physische und seelische Schäden auftreten.

Trotz der Zunahme von Leiharbeit und Teilzeitjobs stufen die IAB-Forscher die unbefristete Vollzeitstelle aber noch nicht als überholt ein. "Das Normalarbeitsverhältnis ist nicht mehr so dominierend wie früher, aber es ist kein Auslaufmodell", sagte IAB-Vizedirektor Ulrich Walwei. Durchschnittlich sind Mitarbeiter nämlich noch immer 10,8 Jahre in einem Unternehmen beschäftigt. Vor 20 Jahren lag dieser Wert bei 10,3 Jahren.

Deutlich kritischer stufen allerdings die Forscher des gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Instituts die Entwicklung ein. "Das normale Arbeitsverhältnis ist durch die Zunahme von Leiharbeit und Teilzeitjobs bedroht", sagt der Sprecher des Instituts, Rainer Jung. "Wir beurteilen dies sehr kritisch, weil Leiharbeiter und befristet Beschäftigte ein größeres Risiko haben, arbeitslos zu werden und auch weniger an beruflichen Fortbildungsmaßnahmen im Betrieb teilnehmen können."