Reeder an Übernahmen interessiert. Verband gibt Gutachten in Auftrag. Gewerkschaft warnt vor steigenden Kosten

Hamburg. Die Bundesregierung will künftig weniger See- und Flussschiffe in eigener Regie einsetzen und damit ihre Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) entlasten. Hintergrund für den Vorstoß sei die "andauernde Personalreduzierung" bei der WSV, die jetzt dazu führe, "vermehrt eine private Bereederung vorzunehmen", heißt es aus dem Ministerium. Insgesamt 549 Schiffe setzt die dem Verkehrsministerium unterstehende Behörde ein. Dazu zählen die fünf Küstenwachschiffe für den Gewässerschutz, Boote der Schifffahrtspolizei, Mess- und Peilschiffe und 17 Fähren. Bis Ende April solle nun entschieden werden, welche Aufgaben an Unternehmen ausgelagert werden könnten, sagte eine Ministeriums-Sprecherin dem Abendblatt. Die Gewerkschaft Ver.di fürchtet jedoch, dass dies dem Steuerzahler teuer zu stehen kommen könnte.

Die beiden Hochseeschlepper sind für zehn Jahre gechartert

Hintergrund für die Überlegungen in Berlin ist ein neues Konzept für die WSV. Die Behörde, die sich über ihre sieben Direktionen auch um den Ausbau der Wasserstraßen kümmert, soll sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. So sind schon seit 1993 knapp 5000 Stellen abgebaut worden. Jetzt sollen bis 2020 noch einmal 2800 der 13 000 Arbeitsplätze wegfallen. Damit die Flotte ihre Aufgaben weiter erfüllen kann, denkt man im Ministerium daher über Charterverträge mit Reedereien nach.

Erstes Beispiel dafür sind die beiden Hochseeschlepper "Nordic" und "Baltic", die bei Katastrophen und Havarien in Nord- und Ostsee Hilfe leisten sollen. Bei ihnen zahlt der Bund nur noch die Charterprämie und den Treibstoff. "Wir stellen das Personal an Bord, übernehmen die Versicherung und kümmern uns um die Ausrüstung und alle technischen Fragen", sagte ein Sprecher der Bugsier-Reederei dem Abendblatt. Die Hamburger haben sich für ihre neue Aufgabe mit den Reedereien Fairplay und der Bremer Reederei Urag Unterweser sowie Wiking Helikopter zur Arbeitsgemeinschaft (Arge) Küstenschutz zusammengeschlossen. Die Schlepper wurden in Spanien und bei der Peene-Werft auf ihre Rechnung bestellt. Allein die "Nordic" kostete knapp 50 Millionen Euro. Der Chartervertrag gilt für zehn Jahre.

"Wir wären an weitere Auslagerungen durchaus interessiert", sagte ein Bugsier-Sprecher dem Abendblatt. Auch für weitere deutsche Reeder könnte sich die Übernahme von Aufgaben der Wasser- und Schifffahrtsdirektion lohnen, glaubt der Verband Deutscher Reeder (VDR). "Wir müssen aber zunächst die Schiffe identifizieren, die günstiger von Reedern betrieben werden können", sagte VDR-Sprecher Max Johns. Der Verband hat jetzt bei der Beratungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers (PwC) ein Gutachten in Auftrag geben. "PwC soll zunächst Beispielrechungen vorlegen", so Johns. Mit ersten Daten rechnet er bereits bis zur Sommerpause.

Ver.di sieht Know-how bei Schifffahrtsbehörde in Gefahr

Grundsätzlich, so heißt es im Verkehrsministerium, ließen sich Aufgaben auslagern, die von privaten Firmen wirtschaftlicher ausgeführt und befristet vergeben werden könnten. Dieser Kurs wird jedoch von Ver.di kritisiert. "Der Bund macht sich von privaten Firmen abhängig, die später den Preis für ihre Dienste diktieren können", sagte Sigrid Müller, die Leiterin der Ver.di-Fachgruppe Bundesverkehrsverwaltung. Das führe künftig eher zu höheren statt zu niedrigeren Kosten für die WSV. Zudem gehe durch die Auslagerungen Know-how verloren, das sich kaum wieder in die Behörde zurückholen lasse.

Auch die Vergabe der Überwachung von Nord- und Ostsee durch die Notfallschlepper hält Müller nicht für die beste Alternative. "Es wäre sicher möglich gewesen, einige der fünf Gewässerschutzschiffe für diese Aufgabe aufzurüsten", sagte sie. In diesem Fall hätten die Schiffe während der Bereitschaftszeiten für andere Aufgaben eingesetzt werden können. Dagegen wird im Ministerium argumentiert, dass nur mit den Schleppern Havaristen in höchstens zwei Stunden zu erreichen seien.

Immerhin: Über eine fremde Flagge an Bord der Schlepper braucht sich Ver.di nicht zu beschweren. Beide Schiffe hissen Schwarz-Rot-Gold. Die Besatzungen haben deutsche Arbeitsverträge. Dies hatte das Ministerium für die Charterverträge festgeschrieben.