Der 42-jährige Merkel-Berater Jens Weidmann legt eine Blitzkarriere hin. Onkel von Lena Meyer-Landrut kommt ins Kanzleramt

Frankfurt. Ende der 90er-Jahre: Ein junger deutscher Ökonom heuert beim Internationalen Währungsfonds (IWF) an. Als Studienabsolvent solch einen Job zu ergattern, ist schwer, doch Jens Weidmann hat es geschafft. Der 28-Jährige ist ein Beschäftigter, wie es ihn hundertfach beim IWF gibt. Er ist zuständig für Staaten, an Flughäfen auf dem afrikanischen Kontinent zählt er Zementsäcke, um volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen zu erstellen.

14 Jahre später: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verkündet gestern offiziell, was bereits seit Tagen kursierte: Weidmann wird der elfte Präsident der Bundesbank. Der 42-Jährige wird der jüngste Notenbank-Chef aller Zeiten sein, auch im sechsköpfigen Vorstand der Bank ist er künftig das Nesthäkchen. Merkel gibt der Bundesbank zudem erstmals einen weiblichen Vorstand, der gleich auch noch Vize in Frankfurt wird. An die Stelle von Franz-Christoph Zeitler rückt Sabine Lautenschläger-Peiter. Sie ist die oberste Bankenaufseherin der BaFin, deren Chef Jochen Sanio sich laut "Zeit" ebenfalls mit Rücktrittsgedanken trägt.

Es ist eine unglaubliche Blitzkarriere, die Weidmann im vergangenen Jahrzehnt hingelegt hat. Der Schattenmann Merkels, der als ihr wichtigster Wirtschaftsberater jahrelang im Hintergrund die Fäden gezogen hat, wird künftig im Blitzlichtgewitter stehen.

Auf den jungen Ökonomen warten keine leichten Aufgaben. Aussagen von ihm werden künftig das Potenzial haben, den Euro-Kurs zu bewegen. Jeder falsche Satz eines Bundesbank-Präsidenten kann die durch die Euro-Krise aufgescheuchten Finanzmärkte in Aufruhr versetzen. Der 42-Jährige muss sich öffentlich zum Umbau der Eurozone positionieren. Und dann ist da ja auch noch die krisengeplagte Bundesbank, die Weidmann nach vorzeitigem Rückzug ihres Chefs Axel Weber wieder in ruhigeres Fahrwasser führen muss.

In der Notenbank warten die Mitarbeiter gespannt auf ihren neuen Chef. Bislang wird die Personalie freudig aufgenommen. Weidmann ist in den dicken, grauen Gemäuern in Frankfurt kein Unbekannter, bis 2006 leitete er dort die Abteilung Geldpolitik. "Er ist ein fähiger Ökonom und wird der Bundesbank guttun", sagt ein Notenbanker. Auch Bundesbank-Beobachter befürworten die Berufung des 42-Jährigen: "Weidmann ist eine sehr gute Besetzung", sagt der langjährige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter. Es gibt aber auch Kritiker. Ausgerechnet sein früherer Professor hält Weidmann für eine Fehlbesetzung: "Er ist der Aufgabe nicht gewachsen", prophezeit Roland Vaubel von der Uni Mannheim: "Er ist ein guter Ökonometriker, aber ein farbloser Technokrat." Ein bekannter deutscher Ökonom legt den Finger in eine andere Wunde: "Die Frage ist, ob Weidmann das Rückgrat hat, sich von seiner alten Position als Kanzlerberater zu lösen und unabhängig von der Politik zu agieren, so wie es ein Bundesbank-Chef tun soll."

Bundeskanzlerin Angela Merkel nutzt die nötige Neubesetzung der Bundesbank-Spitze zu einer Neuaufstellung im Kanzleramt: Bis Juni wird der bisherige europapolitische Sprecher Uwe Corsepius auf Weidmann als Wirtschaftsberater folgen. Dessen Stellvertreter Nikolaus Meyer-Landrut - der Onkel von Grand-Prix-Siegerin Lena - wird neuer europapolitischer Sprecher.