Marketingprofi Andreas Herrmann kämpfte dreimal gegen den Tod. Heute betreibt der 42-Jährige die erfolgreiche Agentur Werbekracher in Hamburg.

Hamburg. Man könnte Andreas Herrmann, 42, für einen gewöhnlichen Marketingprofi halten. Wenn er von seinem Unternehmen spricht, klingt er geschliffen: "Über 100 Kunden schenken der Werbekracher Deutschland GmbH ihr Vertrauen. Von Dresden bis zum Bodensee." Er spricht von Traffic-Generierung und davon, dass er neben dem Onlinemarketing auch im Coaching-Bereich aktiv sei. "Hier, diese Seite gehört auch uns." Seine Finger fliegen über die Tastatur. Inzwischen biete seine Full-Service-Agentur über zehn verschiedene Leistungssparten an, "von der einfachen Plakatkampagne bis zur Suchmaschinenoptimierung." Doch Herrmann ist kein gewöhnlicher Werbefachmann, auch wenn er ein bisschen so aussieht in seinem makellosen Anzug und der randlosen Designerbrille.

Seine Geschichte beginnt am Pfingstmontag 1991. Der damals 23-Jährige fährt in seinem roten Golf auf einer Landstraße zwischen Dessau und Magdeburg. Es ist ein sonniger Tag und er hat es nicht eilig. Hinter ihm schert ein Wagen zum Überholen aus. 50 Meter vor ihm kollidiert der Überholer mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Herrmann kann noch ausweichen, doch Motorteile aus den zusammengestoßenen Fahrzeugen schleudern durch die Windschutzscheibe und treffen ihn am Kopf. "Grausiger Ausflug. Fünf Tote und vier Schwerverletzte", wird die "Bild" titeln. Vier Wochen liegt er auf der Intensivstation. Danach leidet er an posttraumatischen Störungen. Doch er rappelt sich hoch, es ist der unbedingte Wille, der ihn treibt. Herrmann kann nach einer Therapie seine Lehre als Verkäufer abschließen. Später folgen eine Umschulung zum Groß- und Außenhandelskaufmann und ein gut bezahlter Job bei Esso. "Ich war einer der erfolgreichsten Vertriebsmitarbeiter in meiner Sparte", sagt er. Doch schon acht Jahre später muss er dem Tod ein zweites Mal ins Auge blicken.

Diesmal trifft es ihn an einem Frühsommertag 1999. Auf einer Grillparty bricht er zusammen. Diagnose: Entzündung des Herzmuskels und der Herzhülle. Wieder liegt Herrmann wochenlang auf der Intensivstation, aber er überlebt und kämpft sich erneut zurück ins Leben. Doch wenige Monate später holt das Schicksal ein weiteres Mal aus. Herrmann bekommt Ekzeme im Gesicht. Erst stecknadelgroß, später riesige offene Geschwüre. Im Krankenhaus erhält er eine schockierende Diagnose: Mycosis Fungoides. Auf Deutsch: T-Zellen-Krebs. Sofort beginnt die Chemotherapie, doch sie schlägt nicht an. Die Ärzte sind ratlos, ein Team von Spezialisten befasst sich mit Herrmann.

Es gab Phasen, da wollte er einfach nicht mehr, wenn die Schmerzen unerträglich wurden und die starken Medikamente nicht mehr wirkten. Aber einfach aufgeben? "Irgendetwas sagte mir, du hast noch ein anderes Leben vor dir, ohne Schmerzen. Ich wollte mich mit der Krankheit einfach nicht abfinden."

Herrmann ist in dieser Zeit arbeitsunfähig, bezieht eine bescheidene Rente. Um Geld zu bekommen, verkauft er Kleidung und Möbel bei Ebay und schreibt dafür kleine Werbetexte. Die sind so gut, dass ihm sogar Werbeagenturen anbieten, für sie zu schreiben. Noch während seiner Therapie bereitet Herrmann seine Selbstständigkeit vor und beginnt - ohne Aussicht auf Heilung - ein Fernstudium in Direktmarketing. Auf dem Krankenhausflur verteilt er Flyer für sein Unternehmen. Inzwischen glauben die Ärzte nicht mehr an Blutkrebs, in Kiel rollt man seinen Fall neu auf. Die Diagnose: Borreliose - durch einen Zeckenbiss. Er bekommt Antibiotika, bis die Hautprobleme endlich abklingen. Herrmann hat das Schicksal besiegt - zum dritten Mal.

Heute gilt der Wahlhamburger als geheilt und leitet eine erfolgreiche Werbeagentur mit 18 Mitarbeitern. Manchmal kann er sein Glück nicht fassen. "Noch vor vier Jahren konnte ich mir kaum einen Burger leisten", sagt er und schaut aus dem Fenster seines Büros. Heute mache er Geschäfte mit großen Unternehmen wie Esso oder Otto. Seit Kurzem ist er auch Präsident des "Bundesverbandes professioneller Werbetexter", den er Anfang Januar mit sechs Wirtschaftsvertretern aus Hamburg und Berlin ins Leben gerufen hat. Ziel des Vereins ist es, eine Lobby für die Schreiber der Werbebranche zu schaffen und sich dafür einzusetzen, dass die bisher nicht geschützte Tätigkeit des Werbetexters zu einem Ausbildungsberuf wird. Denn Herrmann liegt der Nachwuchs am Herzen, er will die jungen kreativen Köpfe motivieren, an sich zu glauben. "Mein Beispiel zeigt doch: Jeder kann es schaffen, auch wenn die Umstände schwierig sind."

Vor einem Jahr hat er deshalb einen Ausbildungsplatz in der Werbekracher Deutschland GmbH geschaffen, 2011 soll ein weiterer hinzukommen. Seine Azubis möchte er nicht nur die Strategien des Onlinemarketings lehren, sondern ihnen auch Wirtschaftsethik vermitteln. "In meiner Krankheitszeit habe ich gelernt, wie wichtig Menschlichkeit und Fairness ist", sagt er. Das gelte auch für seine Firma und die Aufträge. "Wer diese Spielregeln nicht beachtet, kommt mit mir nicht ins Geschäft."