Länger, leiser, komfortabler und sparsamer soll der neue Airbus-Konkurrent sein - aber bislang verkauft sich der Jumbo-Jet 747-8 schlecht.

Hamburg. Zumindest in einer Hinsicht hat Boeing mit der neuesten Version seines Jumbo-Jets den Konkurrenten Airbus geschlagen: Die Boeing 747-8, die der US-Hersteller jetzt im Werk Everett nahe Seattle der Öffentlichkeit vorstellte, ist das längste Passagierflugzeug der Welt. Dies war bislang nicht etwa das Airbus-Flaggschiff A380, sondern der A340-600.

Für Boeing allerdings markiert der neue Jet noch einen anderen Rekord: "Das ist das größte Flugzeug, das wir jemals gebaut haben", sagte Jim Albaugh, der Chef der Zivilfliegersparte. Die 747-8 ist die jüngste Weiterentwicklung des Ur-Jumbos, der im Jahr 1969 erstmals abhob und 36 Jahre lang der größte Passagierjet war - bis der A380 kam. Von der aktuellen Jumbo-Ausführung unterscheidet sich die Maschine, die in einer für neuere Boeing-Testflieger ungewöhnlichen weiß-roten Lackierung den rund 10 000 Gästen präsentiert wurde, nicht nur durch den um knapp sechs Meter verlängerten Rumpf.

Die Tragflächen haben eine optimierte Form, darunter hängen vier der modernsten Triebwerke, wie sie für den mittelgroßen Boeing-Langstreckenjet 787 "Dreamliner" entwickelt wurden. Die Kabine ist ebenfalls vom "Dreamliner" inspiriert, sie soll ein großzügigeres Raumgefühl vermitteln und mehr Platz für Handgepäck bieten.

"Das Flugzeug wird die Welt wieder verändern", sagte Boeing-Manager Albaugh. Er setzt vor allem auf die Einsparungen, die man den Fluggesellschaften im Vergleich zur bisherigen 747-400 verspricht. So soll der neue Jet die Betriebskosten pro Flugkilometer und Sitz um zwölf Prozent senken, der Verbrauch und damit die CO2-Emissionen pro Passagier seien um 16 Prozent geringer. Darüber hinaus schrumpfe der Lärm um 30 Prozent.

Auch die Lufthansa - sie war der Erstkunde des neuen Fliegers und hat 20 Exemplare geordert - stellt die Umwelteigenschaften heraus. "Die 747-8 Intercontinental ist eine gute Ergänzung unserer Flotte, insbesondere weil sie deren Ökoeffizienz weiter verbessert", erklärte Chefeinkäufer Nico Buchholz. "Wir freuen uns darauf."

Allerdings muss die Lufthansa, die an der Konzeption der Maschine mitarbeitete, noch bis zum kommenden Jahr auf die Übergabe der ersten 747-8 warten: Boeing liegt nach technischen Schwierigkeiten rund eineinhalb Jahre hinter dem Zeitplan und muss Mehrkosten von etwa einer Milliarde Dollar (740 Millionen Euro) verkraften.

Eine Frachtausführung des neuen Jumbos hat schon vor gut einem Jahr die Flugerprobung begonnen, die Auslieferungen sollen Mitte 2011 beginnen. Während für die Frachtversion immerhin 74 Aufträge vorliegen, konnte Boeing von der Passagiervariante bislang erst 33 Stück verkaufen: Neben den 20 Bestellungen der Lufthansa liegen fünf von Korean Air vor sowie acht von privaten VIP-Kunden.

Verglichen damit hat Airbus immerhin 240 Aufträge für den A380 erhalten, alle in der Passagierausführung. "Boeing kommt etwas spät", meint dazu der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg. "Durch die Größe des A380 hat Airbus einen Nischenmarkt erobert, in den die 747-8 nicht vorstößt, denn dazu ist der Abstand bei der Kapazität zu deutlich", sagte Schellenberg dem Abendblatt.

Tatsächlich sehen die Kunden die beiden Flugzeuge offenbar nicht als Wettbewerber in der gleichen Klasse: Lufthansa wie auch Korean Air haben beide Typen bestellt. Betrachtet man die jeweilige Sitzplatzanzahl am Beispiel der Lufthansa, wird der Grund dafür klar. Die 747-8 soll 386 Fluggäste befördern, beim A380 sind es 536 - das macht eine Differenz von 150 Passagieren. Hinzu kommt, dass Boeing einen Konkurrenten im eigenen Haus hat: "Bei den Airlines heißt es, dass die Betriebskosten der zweistrahligen Boeing 777 nicht weit unter denen der 747-8 liegen", sagte Schellenberg. Darüber hinaus hat Boeing noch ein weiteres Handicap: Fluggesellschaften aus dem Mittleren Osten wie Emirates, Etihad oder Qatar Airways, die zu den wachstumsstärksten der Welt gehören, fliegen heute keine Passagier-Jumbo-Jets. Damit fehlt ein wichtiger Anreiz, den Nachfolger zu bestellen.

In Hamburg allerdings wird man die 747-8 in einigen Jahren zu sehen bekommen: Lufthansa Technik hat nach eigenen Angaben Vorverträge mit vier privaten Betreibern unterzeichnet, die sich ihre Jets in der Hansestadt zu Luxus-Reisefliegern ausstatten lassen. Damit setzt das Hamburger Unternehmen eine bewährte Tradition fort. Schon 15 Jumbos wurden hier in VIP-Flieger verwandelt.