Bundesbank-Chef Axel Weber verzichtet auf zweite Amtszeit und wird nicht EZB-Präsident. Spekulationen um Wechsel zur Deutschen Bank.

Hamburg. Gestern um 11.32 Uhr nahmen die Spekulationen ihren Lauf: Noch am Mittwoch wolle die Bundesbank eine Mitteilung zur beruflichen Zukunft ihres Präsidenten Axel Weber veröffentlichen, meldete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf informierte Kreise. Wenige Minuten später hieß es, Weber stehe nicht für den Chefposten der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Verfügung - bisher galt er als einer der aussichtsreichen Kandidaten für die Nachfolge von Jean-Claude Trichet im Herbst. Abermals kurz darauf berichteten die Agenturen, Weber habe im kleinen Kreis angedeutet, "nicht unbedingt" eine zweite Amtszeit in der Bundesbank anzustreben. Sein Vertrag, der eine Laufzeit von acht Jahren hat, läuft bis April 2012.

Spätestens durch dieses Detail erhielten die Gerüchte neue Nahrung, Weber könne zur Deutschen Bank wechseln, um dort Nachfolger von Vorstandschef Josef Ackermann zu werden. Dieser will spätestens im Frühjahr 2013 aufhören. Zwar dementierte die Bundesbank am Nachmittag, dass Neuigkeiten zur Zukunft ihres Präsidenten herausgegeben werden sollen. Doch eine bedeutende Weichenstellung hat es offenbar gegeben: Am Vormittag führte Weber mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein vertrauliches Telefongespräch, wie Regierungssprecher Steffen Seibert bestätigte. Zu dem Inhalt wollte er nichts sagen.

Die Überlegung, Weber könne zur Deutschen Bank gehen, ist nicht neu. Bereits im Jahr 2009 hatte das Magazin "Stern" ohne Nennung von Quellen berichtet, Ackermann selbst habe den Bundesbank-Präsidenten als seinen Nachfolger im Auge gehabt. Allerdings kam es damals zu keiner Einigung, Ackermanns Vertrag wurde noch einmal verlängert. Im Dezember 2010 schrieb das "Manager Magazin", Weber stehe auf einer bankinternen Liste externer Kandidaten für den Chefposten. In Finanzkreisen wird jedoch betont, es gebe keine Vereinbarung über einen Wechsel Webers zur Deutschen Bank - und ein Nachfolger werde ohnehin vorwiegend im eigenen Haus gesucht.

Zudem fehlt es Weber bislang an der nötigen Managementerfahrung für ein solches Amt: Der 53-jährige Volkswirtschaftsprofessor und frühere Wirtschaftsweise hat nie für eine Geschäftsbank gearbeitet. "Er wäre in jedem Fall der teuerste Lehrling der Deutschen Bank", hatte der Branchenanalyst Konrad Becker vom Bankhaus Merck Finck über Weber gesagt. Als denkbar gilt zwar, dass er die Deutsche Bank gemeinsam mit einem ihrer bisherigen Topmanager, etwa dem Investmentbankchef Anshu Jain oder dem Risikovorstand Hugo Bänziger, leitet. Doch Doppelspitzen werden von Börsianern generell nicht gern gesehen.

Abgesehen von einem möglichen Wechsel Webers in die Privatwirtschaft schlug gestern auch der von ihm offenbar erklärte Rückzug aus dem Rennen um die Trichet-Nachfolge seine Wellen. Der Euro-Kurs fiel nach Bekanntwerden der Spekulationen zeitweise auf ein Tagestief von 1,3609 Dollar, bevor er später wieder deutlich zulegte.

Neben dem Italiener Mario Draghi wurde Weber immer wieder als aussichtsreichster Kandidat für das am 1. November neu zu besetzende Amt des EZB-Präsidenten genannt. Damit hatte sich bei vielen Experten - nicht nur in Deutschland - die Hoffnung verbunden, unter der Leitung von Weber werde die EZB in der Tradition der Bundesbank einen entschiedenen Kurs im Hinblick auf die Stabilität des Euro steuern. Devisenexpertin Antje Praefcke von der Commerzbank sagte dazu, am Markt gebe es nun die Sorge, dass die Geldpolitik in der Euro-Zone künftig lockerer werden könnte.

Zwar werde die Bedeutung des Präsidenten für die EZB-Politik in der Öffentlichkeit überschätzt, sagte Thorsten Polleit, Chefvolkswirt Deutschland bei Barclays Capital, dem Abendblatt: "Er ist nur einer von 23 Mitgliedern des EZB-Rats, der die Entscheidungen fällt." Dennoch hätten die Regierungen der Euro-Zone mit einer Entscheidung für Weber ein deutliches Signal gesendet, dass man den Euro stabil halten will, meint Polleit: "In einem Umfeld, in dem Vertrauen bitter nötig ist, wäre das hilfreich. Aber die Franzosen haben offensichtlich andere Präferenzen."

In Finanzkreisen ist es kein Geheimnis, dass Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy wenig Sympathien für Weber hegt. Diplomatie ist nicht dessen Stärke. So übte er im vorigen Jahr öffentlich Kritik an dem Beschluss der EZB, Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Länder aufzukaufen. Dies war nicht das erste Beispiel für Webers Kantigkeit. So griff er die von der früheren rot-grünen Bundesregierung vorangetriebene Aufweichung des europäischen Stabilitätspaktes an, obwohl er vom damaligen Bundesfinanzministers Hans Eichel (SPD) zum Bundesbank-Präsidenten berufen worden war. Auch über Webers möglichen Nachfolger in diesem Amt wurde gestern schon spekuliert: Genannt wird der wirtschaftspolitische Chefberater der Kanzlerin, Jens Weidmann, 42. Er kam von der Bundesbank - wohin Weber ihn geholt hatte.