Standorte sollen erhalten bleiben. Rechtssitz in den Niederlanden

Frankfurt. Die Deutsche Börse und die New Yorker Börse unternehmen einen neuen Anlauf für einen Zusammenschluss. Mit der Fusion der beiden Börsenbetreiber würde ein globaler Riese entstehen, der Aktienmärkte von New York über Frankfurt bis Lissabon steuert. Die beiden Unternehmen, deren Aktien an den Börsen gehandelt werden, bestätigten gestern "fortgeschrittene Fusionsverhandlungen". Es gebe aber noch keine Übereinkunft, schränkte die transatlantische NYSE Euronext in einer Mitteilung ein. Es gebe auch keine Sicherheit, dass es zu einem Zusammenschluss kommen werde. Zuvor waren die Aktien beider Unternehmen vom Handel ausgesetzt worden.

Beide hatten bereits vor gut zwei Jahren über eine Fusion verhandelt, damals ohne Erfolg. Sollten die beiden Seiten sich diesmal auf eine Fusion einigen, würden die Frankfurter den dominanten Part spielen, denn gemessen an der Marktkapitalisierung ist die Deutsche Börse fast doppelt so groß wie die NYSE Euronext.

Die Anteilseigner der Deutschen Börse hielten 59 bis 60 Prozent am neuen Unternehmen. Konzernchef soll NYSE-Lenker Duncan Niederauer werden, Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni würde Verwaltungsratschef. Eine von zwei Zentralen bliebe in Frankfurt, die andere steht weiterhin in New York. Der rechtliche Firmensitz wandert in die Niederlande. Die NYSE Euronext war selbst aus einer Übernahme hervorgegangen: 2007 hatte sich die New York Stock Exchange die Euronext einverleibt, die ihrerseits ein Zusammenschluss mehrerer Aktienmärkte in Paris, Brüssel, Amsterdam und Lissabon ist. Auch die Deutsche Börse war damals an der Euronext interessiert. Bereits 2004 hatte die Deutsche Börse versucht, mit der Londoner Börse zusammenzugehen, was ebenfalls scheiterte.

Durch den jetzigen Zusammenschluss hoffen Deutsche Börse und NYSE Euronext darauf, insgesamt 300 Millionen Dollar im Jahr einzusparen, vor allem durch die gemeinsame Betreuung ihrer gigantischen Computeranlagen, über die der Großteil des Handels mittlerweile läuft. Der berühmte Parketthandel in Frankfurt und an der Wall Street ist mehr ein Aushängeschild. Ein fusioniertes Unternehmen wäre der größte Börsenbetreiber nach Umsatz und Gewinn, wie die NYSE Euronext selbst ausrechnete. Weitere große Börsen sitzen in Asien, etwa in Hongkong. Selbst wenn sich Deutsche und Amerikaner auf ihre Fusion geeinigt haben, bedarf das Vorhaben noch der Zustimmung der Anteilseigner und der Behörden.

Der Konzentrationsprozess bei den Börsen schreitet immer schneller voran: Im Wettstreit um internationale Investoren will sich die traditionsreiche Börse London (LSE) durch den Kauf ihres kanadischen Rivalen TMX stärken. Dadurch soll der weltweit viertgrößte Handelsplatz und die Nummer eins im lukrativen Geschäft mit Rohstoffaktien entstehen. Der fusionierte Konzern wäre 6,9 Milliarden Dollar schwer. Die LSE will 55 Prozent an der neuen Gesellschaft halten.

Für die Londoner könnte der Schritt einen Befreiungsschlag bedeuten. LSE-Chef Xavier Rolet will verlorene Marktanteile zurückerobern, nachdem Vorgängerin Clara Furse vor allem mit der Abwehr unliebsamer Übernahmeangebote beschäftigt war. Neben der Deutschen Börse hatten auch die Rivalen Euronext und Nasdaq die Finger nach der LSE ausgestreckt.