Branche akzeptiert weitere Kürzungen. Anlagen lohnen nur noch, wenn man preiswerte Module kauft

Hamburg. Die Solarbranche steht nach Einschätzung von Experten vor einer erneuten Sonderkonjunktur. Grund ist die vorgezogene Kürzung bei der Einspeisevergütung für Solarstrom. Das wird viele zu zusätzlichen Investitionen veranlassen. Die Branche verständigte sich mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) auf eine Kürzung von bis zu 15 Prozent zum 1. Juli 2011. Um weitere neun Prozent soll der Einspeisepreis dann zum 1. Januar 2012 sinken. Damit verhinderte die Branche eine generelle Begrenzung des Baus neuer Anlagen. Eine solche Deckelung hätte die Branche härter getroffen. Bisher kommen zwei Prozent der erzeugten Energie aus Solarstrom.

Die von der Solarwirtschaft selbst angebotene Kürzung bezeichnete Röttgen als ein Novum. "Das ist ein signifikanter Beitrag zur Senkung der Kosten", sagte der Minister. Er forderte andere Branchen auf, diesem Beispiel beim Subventionsabbau zu folgen. Angesichts des stark gestiegenen Ausbaus mit Solaranlagen war eine schnelle Kürzung der Förderung notwendig geworden. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) schätzt, dass im vergangenen Jahr Fotovoltaikanlagen mit einer Leistung von 7000 bis 8000 Megawatt auf deutschen Dächern installiert wurden. Mit ihnen wird aus Sonnenenergie Strom erzeugt.

Durch eine über 20 Jahre garantierte Einspeisevergütung wurde die Solarstromvergütung zu einer attraktiven Geldanlage. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zur Solarhilfekappung.

Wie funktioniert die Förderung in Deutschland im Detail?

Jede neue Technologie benötigt einen Anschub. In diesem Fall ist das ein überdurchschnittlicher Preis für die Kilowattstunde Solarstrom, der kontinuierlich abgesenkt wurde. Je mehr Solaranlagen an das Netz gehen, desto niedriger fällt die Einspeisevergütung aus. Für Anlagen, die seit Januar 2011 in Betrieb gehen, sind das knapp 29 Cent je Kilowattstunde. Der einmal zugesagte Preis wird für 20 Jahre garantiert. Kürzungen betreffen immer nur neue Anlagen. Die Energieversorger sind zur Abnahme des Solarstroms verpflichtet.

Wer bezahlt die Förderung der Fotovoltaikanlagen?

Die Energieversorger bekommen für Solarstrom an der Strombörse weniger, als sie an die Erzeuger bezahlen. Die Differenz wird auf Grundlage des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) auf alle Stromkunden umgelegt. Erst zu Beginn des Jahres bekamen das die Verbraucher zu spüren. Deshalb befürchtet Röttgen Akzeptanzprobleme. Die EEG-Umlage war um 70 Prozent auf 3,5 Cent je Kilowattstunde gestiegen. Allerdings ist das nicht allein der Solarbranche geschuldet. Auch andere erneuerbare Energien wie Biogas haben daran ihren Anteil. Der Anteil des Solarstroms an der Umlage liegt bei rund 50 Prozent der 3,5 Cent.

Mit welchen Abstrichen müssen Betreiber neuer Anlagen rechnen?

Das genaue Ausmaß der Kürzung wird Ende Mai bekannt. Es hängt vom Aufbau neuer Fotovoltaikanlagen zwischen März und Mai ab, der auf das Gesamtjahr hochgerechnet wird. Werden nur bis zu 3500 Megawatt installiert kommt es zu keiner Kürzung. Mehr als 3500 Megawatt würden zu einer Kürzung von drei Prozent führen. Die komplizierte Kürzungsstaffel reicht bis zu 15 Prozent, wenn mehr als 7500 Megawatt in Deutschland installiert werden.

Was bedeutet die Absenkung für die Einspeisevergütung?

Wenn man davon ausgeht, dass in diesem Jahr noch einmal so viele Anlagen wie im Vorjahr entstehen, also mehr als 7500 Megawatt, dann sinkt der Einspeisepreis für Anlagen bis maximal 30 Kilowatt Leistung zum 1. Juli von aktuell 28,74 auf 24,43 Cent je Kilowattstunde. Am 1. Januar 2012 läge der Preis dann bei 21,84 Cent.

Lohnt dann eine Solaranlage noch?

Das hängt vom Preis der Solarmodule ab. Wer für eine kleine Anlage mit fünf Kilowatt Leistung noch 15 000 Euro zahlen muss, kommt in Hamburg auf eine Rendite von knapp drei Prozent. Kostet die Anlage dagegen nur 12 500 Euro, erreicht die Rendite wieder 5,4 Prozent. Noch günstiger fährt, wer ein Drittel seines Stroms selbst verbraucht. Dann erreicht die Rendite 6,6 Prozent. Alle Angaben sind vor Steuern. Experten rechnen damit, dass die Preise weiter fallen werden. "Statt wie heute 1,60 Euro je Watt könnten kristalline Solarmodule schon bald nur noch etwas mehr als die Hälfte kosten", sagt Branchenexperte Bernd Schüßler vom Fachmagazin "Photon".

Welche Voraussetzungen benötigt eine Fotovoltaikanlage?

Die Bedingungen sind günstig, wenn das Dach des Hauses nach Süden, Südosten oder Südwesten ausgerichtet ist und nicht stärker als 50 Grad geneigt ist. "In Hamburg kann mit guten Modulen mit einem Ertrag von 800 bis 900 Kilowattstunden pro Kilowatt Leistung gerechnet werden", sagt Arne Hagemann von der Hamburger Firma Backhaus Solartechnik. Auf einem Flachdach können die Module auf Montagegestellen optimal aufgestellt werden.

Welche Auswirkungen haben die Kürzungen für die Branche?

"Wir erwarten, dass im ersten Halbjahr noch viele Anlagen bestellt werden", sagt Hagemann. "Denn gerade bei kleinen Anlagen auf Einfamilienhäusern geht es den Leuten nicht vorrangig um die Rendite." Bisher beflügelte jede geplante Kürzung den Ausbau sogar.