Urteil des Bundesfinanzhofs. Es winken hohe Nachzahlungen

München. Der Bundesfinanzhof (BFH) erleichtert die steuerliche Absetzbarkeit von Krankheitskosten und damit verbundener Sonderaufwendungen. Müssen wegen Asthma die Teppiche ausgetauscht werden oder besucht ein Kind Kurse gegen eine Lese- und Rechtschreibschwäche, schlägt das oft mit hohen Kosten zu Buche, die man bislang nur schwer als außergewöhnliche Belastung beim Finanzamt geltend machen konnte. Um sie abzusetzen, musste zwingend das Attest eines Amtsarztes eingeholt werden, und zwar im Beispiel vor Kauf des Teppichs oder Beginn der Therapie. Diese Praxis hat der BFH jetzt gekippt, gab dessen scheidender Präsident Wolfgang Spindler vor Journalisten in München bekannt.

Die ärztliche Bescheinigung kann jetzt auch im Nachhinein vorgelegt werden und es wird Finanzamt und Finanzgerichten freigestellt, auch das Attest eines Hausarztes zu akzeptieren. Wer ein Attest vorab vergessen hat, was häufig vorkommt, hat also jetzt die Chance, es nachzureichen. Welche finanzielle Auswirkung das auf den Fiskus hat, kann der BFH nicht abschätzen. Für Steuerpflichtige können damit aber große Einzelsummen von 100 000 Euro und mehr steuermindernd werden, sagen Experten. Das Recht des Steuerbürgers wurde damit über die Gefahr eines Missbrauchs gestellt, räumten die BFH-Richter ein. Denn bisweilen werde versucht, Kuren auf Ibiza oder in anderen Ferienregionen mit der Steuer zu verrechnen, obwohl der Aufenthalt nicht medizinisch notwendig war. Streitfälle werde es deshalb weiter geben. Die Chancen des Bürgers auf Gehör beim Finanzamt seien jetzt aber deutlich gestiegen.

Der Münchner BFH entscheidet hierzulande als oberste Instanz, wie Steuerrecht anzuwenden ist. 2010 wurden 3438 Verfahren erledigt, etwas mehr als im Jahr zuvor. Insbesondere die Halde an Altfällen konnte man auf einen historischen Tiefstand von 2187 unerledigten Verfahren abbauen, betonte Spindler. "Der BFH ist in den letzten fünf Jahren deutlich schneller geworden." Im Schnitt entscheide der Finanzhof bei jedem fünften Fall zugunsten des Steuerzahlers.

Bei der Verfahrensdauer von jetzt durchschnittlich acht (Vorjahr: neun) Monaten sei ein gutes und kaum noch verbesserungsfähiges Maß erreicht worden, sagte der im März in den Ruhestand wechselnde Richter. Überrascht zeigte er sich auch über die 2010 rückläufige Zahl neuer Streitfälle. Die Eingänge seien von 1851 auf 1776 Fälle gesunken. Ob das ein neuer Trend sei oder nur eine Ausnahme, müsse sich noch zeigen. "Vielleicht ist es auch weniger, weil wir zuletzt viele Grundsatzfragen geklärt haben", mutmaßte er. Grundsätzlich bleibe das Steuerrecht in Deutschland aber streitanfällig.