Schweizer Professor Brachinger warnt vor Konsumflaute durch Inflation. Konjunktur stehe auf wackeligen Beinen

Berlin. Die steigenden Inflationsraten in Deutschland könnten zunehmend zu einer Bremse für den Aufschwung werden. Zwar liegen die offiziell vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preissteigerungen im Dezember lediglich bei 1,7 Prozent - und damit unter dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebten Maximalwert von zwei Prozent. Doch die "gefühlte Inflation" fiel nach Berechnungen des Schweizer Forschungszentrums für Wirtschaftsstatistik in Fribourg in dem Monat mit 5,2 Prozent gleich dreimal so hoch aus.

Im Unterschied zum Statistischen Bundesamt gewichten die Schweizer Ökonomen aus Fribourg alle Waren nach ihrer Kaufhäufigkeit. Da Benzin und Grundnahrungsmittel wie frisches Obst, Gemüse, Wurst oder Brot regelmäßig gekauft werden, fallen den Verbrauchern die Preisänderungen dort besonders stark auf. Und da Energie- und Nahrungsmittelpreise wiederum im Dezember besonders stark angestiegen waren, schlugen sie in dem Index besonders stark zu Buche. So verteuerten sich zum Beispiel Tomaten, Paprika, Gurken und andere Gemüsesorten binnen eines Jahres um bis zu 52 Prozent.

"Deshalb steht die Einschätzung, dass die Konjunktur zunehmend vom privaten Konsum getragen sein wird, auf wackeligen Beinen", sagte der Statistikprofessor Hans Wolfgang Brachinger der Nachrichtenagentur Reuters, der die gefühlte Inflation regelmäßig in einem von ihm entwickelten Index der wahrgenommenen Inflation (IWI) ermittelt. "Dieses Niveau konnten wir bisher nur in den Monaten um die Euro-Einführung und in der Hochinflationsphase 2007/08 beobachten."

Für die Konsumnachfrage spiele die gefühlte Inflation eine viel größere Rolle als die offizielle Teuerungsrate, in die auch selten gekaufte Waren wie TV-Geräte, Autoreifen oder auch Mieten einfließen, so Brachinger. Besonders Gering- und Durchschnittsverdienern drohe ein kräftiger Preisanstieg die Kauflaune zu verderben, weil sie einen Großteil ihres Einkommens für Waren des täglichen Bedarfs ausgeben, meint Brachinger: "Die Konsumenten haben eine feinere Nase als die Statistik. Die Kluft zwischen amtlicher Teuerungsrate und Inflationswahrnehmung geht wieder wie zu Zeiten des ,Teuro-Gefühls' auseinander." Nach der Einführung des Euro waren insbesondere die Preise in der Gastronomie stark gestiegen, was dem Euro den Beinamen "Teuro" einbrachte.