Bis zu 1,25 Milliarden Euro sollen aufgenommen werden. Land soll unter Rettungsfonds

Hamburg. Ein schreckliches Szenario droht in diesem Jahr der gemeinsamen europäischen Währung: Wann immer ein Land sich Geld für seinen Staatshaushalt am Kapitalmarkt leihen will, wird das zu einer Zitterpartie. Werden sich genügend Geldgeber finden? Liegen die Zinsen, die das Land seinen Gläubigern zahlen muss, noch auf einem erträglichen Niveau? Heute stellt sich Portugal diesen Fragen, in einigen Tagen oder Wochen kann es Spanien, Belgien oder Italien treffen. "Die Staatsschuldenkrise der EU hat eine neue Qualität erreicht", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, dem Abendblatt. Vor der Euro-Krise war die Geldbeschaffung kein Ereignis, das von der Öffentlichkeit besonders beachtet wurde.

Während sich die traditionellen Käufer von Staatsanleihen wie Pensionsfonds und Versicherungen zurückhalten, bringen sich Länder mit hohen Währungsreserven wie Japan und China immer stärker als Retter der Euro-Zone ins Spiel. Sie wollen in großem Stil Anleihen kaufen. Die japanische Regierung denkt darüber nach, mehr als 20 Prozent der von der Europäischen Finanz-Stabilitäts-Fazilität (EFSF), eine Art Geldbeschaffungsfonds, geplanten Staatsanleihen zu erwerben. Mit dem Geld soll Irland unterstützt werden, das als erstes Land unter den Rettungsschirm von EU und Internationalen Währungsfonds (IWF) geschlüpft war.

Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zur aktuellen Euro-Schuldenkrise.

Was plant Portugal heute?

Das Land will sich bis zu 1,25 Milliarden Euro am Kapitalmarkt leihen. "Für das Land ist das schon eine ordentliche Größenordnung", sagt ein Commerzbank-Experte. Dafür muss das Land wahrscheinlich rund sieben Prozent Zinsen zahlen. Zum Vergleich: Deutschland kommt mit weniger als drei Prozent aus. Die Kreditaufnahme gilt nach Einschätzung der Commerzbank als "erster Lackmustest, dem weitere folgen werden". Im April und Mai stehen hohe Rückzahlungen von portugiesischen Staatsanleihen an, für die man sich wieder frisches Geld borgen muss. Denn das ist in den meisten Ländern seit Jahren Prinzip: Fällige Anleihen können nur bedient werden, indem neue Schulden aufgenommen werden.

Wie ernst ist die Lage für Portugal, kein Geld mehr zu bekommen?

Portugal gilt als größter Wackelkandidat, weil die Wirtschaft des Landes in den vergangenen Jahren kaum gewachsen ist und die Industrie im internationalen Wettbewerb zurückfällt. Nach Einschätzung seiner Notenbank wird die Wirtschaftsleistung auch in diesem Jahr um 1,3 Prozent schrumpfen. "Es gibt ein beträchtliches Risiko, dass Portugal noch im ersten Vierteljahr 2011 um die Hilfe der EU nachsuchen wird", sagt Krämer. Das Land währt sich allerdings gegen eine solche Einschätzung. "Portugal wird nicht um Hilfe bitten, weil dies nicht notwendig sein wird", sagte Ministerpräsident Jose Socrates. Das Haushaltsdefizit für 2010 liege deutlich unter dem bisher angenommenen Wert von 7,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Portugal fürchtet einen herben Imageschaden und harte Sanierungsauflagen von EU und IWF, wenn es wie Irland oder Griechenland Milliardenhilfen annehmen muss.

Warum soll Portugal die Hilfe der Gemeinschaft annehmen?

Zwar wird offiziell dementiert, dass Portugal zur Annahme einer Unterstützung gedrängt wird, aber die portugiesische Zeitung "Publico" berichtet, dass 60 bis 100 Milliarden Euro der EU bereitliegen. Mit einem solchen Schritt soll vor allem verhindert werden, dass Spanien von der Finanzierungskrise angesteckt wird. "Wenn Spanien noch unter den Rettungsschirm geriete, dann wäre es wahrscheinlich, dass gemeinsame Euro-Anleihen begeben werden müssten", sagt Krämer. Das wäre ein weiterer Schritt zur vertieften Transferunion.

Welche Rolle spielen die Stützungskäufe der EZB für Staatsanleihen?

Die Stützungskäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) laufen seit Mai 2010 und haben inzwischen ein Volumen von rund 70 Milliarden Euro erreicht. "Damit sollen die Renditen der Staatsanleihen gedrückt werden", sagt Krämer.

Droht wegen der Euro-Krise eine höhere Inflationsrate?

Die Stützungskäufe haben nach Krämers Einschätzung keine Auswirkung auf die Inflation. Aber die EZB habe die Banken mit Liquidität geflutet, Dieses Geld könne nicht wieder komplett eingesammelt werden. Noch sei die Gefahr steigender Inflation gering. "Aber im Durchschnitt der nächsten zehn Jahre wird die Inflation eher bei drei bis vier Prozent liegen als beim EZB-Ziel von zwei Prozent."