Auch andere deutsche Hersteller wittern wieder ihre Chancen in den USA. Detroit Auto Show gestartet

Hamburg/Detroit. Es ist nicht lange her, da konnten BMW, Mercedes und VW den US-Markt praktisch abschreiben. Die Amerikaner aus der Mittelschicht, die sich vor der Krise noch einen Jetta oder Golf geleistet hatten, standen ohne Arbeit da, hatten ein "For sale"-Schild an ihre Häuser genagelt und dachten nicht im Traum an einen Neuwagen. Und die betuchtere Klientel, Kunden von Mercedes oder Audi, hatte ihr Vermögen am Aktienmarkt verspielt. Die Boni, die sonst für einen Drittwagen hereingeregnet kamen, fehlten plötzlich im Portemonnaie - und etlichen Managern auch die Chuzpe, sich Luxus aus good old Germany in die Garage zu stellen.

Jetzt aber scheint die Wende geschafft. Der US-Arbeitsmarkt soll vor einem Jobwunder stehen, jüngst freuten sich die Statistiker über die niedrigste Arbeitslosenquote seit 19 Monaten. Die Zeiten, als die Händler den Kunden 5000 Dollar ins Handschuhfach legten, scheinen vorbei. Im Dezember feierte die Autobranche die besten Verkaufszahlen seit anderthalb Jahren.

Deutsche Autokonzerne wollen 2011 die Eine-Million-Marke knacken

Die deutschen Autobauer gehören zu den großen Gewinnern dieses zumindest gefühlten Aufschwungs. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, "können wir beim Absatz in diesem Jahr die Eine-Million-Marke erreichen", zeigte sich VDA-Präsident Matthias Wissmann gestern für den US-Markt optimistisch. Vor zwölf Monaten seien nur "vereiste Gesichter in Detroit zu sehen gewesen, aber nun ist die Partylaune wieder zurück", berichtet Ferdinand Dudenhöffer von der Stimmung auf der größten amerikanischen Autoshow, die jetzt in der Industriestadt ihre Tore öffnet. Der Branchenexperte geht davon aus, dass die deutschen Hersteller ihren Marktanteil in den USA bis 2015 um die Hälfte steigern können.

Dazu kommt ein enormes Wachstumspotenzial, denn mit derzeit gut elf Millionen Autoverkäufen ist der Markt noch weit vom langjährigen Durchschnitt von gut 15 Millionen abgesetzten Fahrzeugen im Jahr entfernt. Ein wachsender Anteil teurerer Fahrzeuge in den USA, aber auch neue Werke und die Schwäche des automobilen Schwergewichts Toyota lassen die Stimmung bei den Deutschen auf dem weltweit größten Markt steigen.

Selbst kleinere Wagen wie der Mini kommen bei den Kunden an, die früher lieber mit tonnenschweren Dickschiffen die Tankstellenbesitzer verwöhnten. Und mit den wieder steigenden Einkommen werden sich die Amerikaner mehr Premium-Fahrzeuge aus der "alten Welt" leisten können, auch wenn dort bisher noch Lexus Marktführer ist.

"Die Bevölkerung wächst, und die früher hohen Marktanteile der deutschen Hersteller sind noch längst nicht wieder erreicht", unterstrich Frank Schwope, Autoanalyst der NordLB, die Chancen für die Deutschen. So habe VW in den 1970er-Jahren mit Kultprodukten wie dem Käfer beim Marktanteil bereits die Fünf-Prozent-Marke übersprungen. Heute kommen nur knapp drei Prozent der Fahrzeuge, die auf den amerikanischen Straßen fahren, aus Wolfsburg. Ein neuer, auf den US-Markt zugeschnittener Passat wird nun in Detroit vorgestellt. Er kommt mit weniger Elektronik aus und soll mit einem günstigen Einstiegspreis auf die amerikanische Mittelschicht zielen.

Auch das neue Volkswagen-Werk in Tennessee könnte helfen, die deutschen Marken stärker zu verwurzeln; neben der US-Fertigung von BMW, die dort den X3 bauen, und Daimler mit der neuen C-Klasse-Produktion in Alabama. So war es eines der Erfolgsrezepte von Toyota, etwa den Camry in den USA zu fertigen und damit in den Augen der patriotischen Amerikaner schon fast als heimischer Produzent zu gelten. Inzwischen ist Toyota nach den einheimischen Konzernen General Motors und Ford bereits die Nummer drei in den USA. Nach den Rückrufaktionen für Hunderttausende Fahrzeuge mit angeblichen Bremsproblemen haben die Japaner allerdings zu kämpfen, der Marktanteil des Weltmarktführers ging in den USA 2010 um 1,8 Prozent zurück.

Doch auch die deutschen Hersteller sind vor Risiken in den Vereinigten Staaten, die rund die Hälfte ihres Geschäfts ausmachen, nicht gefeit: Der Euro steht für die Exportwirtschaft zwar derzeit gut da, aber es können auch wieder andere Zeiten kommen. "Die deutschen Autobauer müssen noch mehr in den USA produzieren", sagt Autoprofessor Stefan Bratzel dem Abendblatt. Sonst könnten die Wechselkurse den amerikanischen Traum schnell zum Albtraum werden lassen.