Volksbank-Chef Reiner Brüggestrat warnt vor verdeckten Ermittlern in Kreditinstituten

Hamburg. Der Chef der Hamburger Volksbank hat den Beschluss von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, Bankberater durch verdeckte Ermittler zu kontrollieren, scharf kritisiert. "Damit versetzt man dem Vertrauensverhältnis zwischen Kunden und Banken den Todesstoß", sagte Reiner Brüggestrat, Vorstandssprecher der Genossenschaftsbank, dem Abendblatt.

"Wir können verstehen, dass man es in der Politik angesichts der Finanzkrise für notwendig hält, die Regulierung der Branche zu verschärfen", so Brüggestrat. Doch der geplante Einsatz von verdeckten Ermittlern im Auftrag der Aufsichtsbehörde BaFin sei eine "Überreaktion", die letztlich niemandem diene - auch nicht den Kunden. Denn es bestehe die Gefahr, dass die Berater künftig aus Angst vor Behördenkritik übervorsichtig agieren und sich zum "Bankbeamten alter Prägung" zurückentwickeln.

Kontrollen der Behörden können sich nur auf Neukundengespräche beziehen

Hinzu komme eine prinzipielle Schwierigkeit solcher Kontrollen: "Sie können sich nur auf Neukundengespräche beziehen", so Brüggestrat. "Aber wie aussagekräftig ist das für die Beratungsqualität? Mindestens 95 Prozent aller Beratungsgespräche werden bei uns mit Bestandskunden geführt." Gerade bei einer Genossenschaftsbank könne es einen grundlegenden Interessenkonflikt zwischen Kunde und Geldinstitut ohnehin nicht geben, da die Mehrheit der Kunden gleichzeitig Eigentümer sei.

Kritisch sieht Brüggestrat aber auch die neuen Anforderungen, die aus internationalen Regulierungsvorhaben (Stichwort Basel III) resultieren. Bestimmte Kriterien könnten bis zu 50 Prozent mehr Eigenkapital erfordern und würden damit die Möglichkeiten der Kreditvergabe drastisch beschränken - ganz abgesehen davon, dass Lehman Brothers unmittelbar vor der Insolvenz über eine durchaus üppige Eigenkapitalquote von mehr als zwölf Prozent verfügte. "Solche Stressszenarien, die Schwankungen am internationalen Finanzmarkt simulieren sollen, sind für eine ausschließlich regional verankerte Bank nicht angemessen und sie haben unmittelbare Auswirkungen auf die Realwirtschaft", so Brüggestrat. Offensichtlich sei es kaum möglich, den entscheidenden Gremien die Besonderheiten der deutschen Bankenlandschaft zu vermitteln.

Im vorigen Jahr hat die Hamburger Volksbank die Kreditvergabe an mittelständische Kunden um acht Prozent auf gut 870 Millionen Euro ausgeweitet. Die Zahl der privaten Kunden nahm abzüglich der Abgänge um mehr als 3000 zu, die Mitgliederanzahl kletterte um gut 2000 auf mehr als 41 000. Auch der Ertrag verbesserte sich, passend zum 150. Firmenjubiläum im Jahr 2011: "Wir haben im Geschäftsjahr 2010 das wohl beste Ergebnis unserer Unternehmensgeschichte erzielt", sagte Brüggestrat. Das Betriebsergebnis stieg um 20 Prozent auf knapp acht Millionen Euro und die Zahl der Mitarbeiter erhöhte sich von 470 auf 481.

Zwar wolle die Hamburger Volksbank auch weiter wachsen, in den nächsten Jahren werde man aber besonderes Augenmerk auf die Ergebnissicherung legen, erklärte der Vorstandssprecher: "Für uns ist eine stabile Entwicklung ein Wert an sich." Auch wenn die Wirtschaft gut aufgestellt sei, könne ein empfindlicher Rückschlag, der auch den Unternehmen in Hamburg schade, keineswegs ausgeschlossen werden.

28 Beschäftigte arbeiten künftig in einer neuen Servicegesellschaft

Um die Bank wetterfester zu machen, will man in diesem Jahr Verwaltungstätigkeiten wie Kontenpflege und Wertpapierabwicklung in eine separate Genossenschaft auslagern, die nicht dem Bankentarif unterliegt. Die 28 Beschäftigten, die im ersten Schritt in das Unternehmen überwechseln, arbeiten aber weiter zu den gewohnten Konditionen, "bis der Letzte in Rente geht", wie Monika Joerend, Betriebsratsvorsitzende der Hamburger Volksbank, dem Abendblatt sagte. "Vom kommenden Jahr an wollen wir für die neue Gesellschaft zusätzliche Kunden aus dem genossenschaftlichen Verbund gewinnen", so Brüggestrat. "Wenn die Servicegesellschaft wächst, werden wir weitere Mitarbeiter zu Marktkonditionen einstellen."