Warum der US-Finanzminister mit einem Staatsbankrott droht - und wie groß Experten das Risiko einschätzen, dass es wirklich dazu kommt.

Hamburg. 14 000 Milliarden Dollar - das ist nicht nur für Normalverdiener ein kaum vorstellbar hoher Betrag. So hoch ist der Schuldenberg, den die USA inzwischen angesammelt haben. 14 Billionen Dollar entsprechen knapp elf Billionen Euro und das ist etwa viermal so viel wie die gesamte Wirtschaftsleistung Deutschlands.

Doch dieser Berg wächst derzeit scheinbar unaufhaltsam weiter. Demnächst droht er die von der US-Regierung selbst auferlegte Obergrenze von 14,3 Billionen Dollar zu sprengen. Dies hat Finanzminister Timothy Geithner zu einer drastischen Drohung veranlasst: Sollte die Schuldengrenze nicht heraufgesetzt werden, folge die Zahlungsunfähigkeit der USA. Das Finanzministerium könne zwar "außergewöhnliche Maßnahmen" ergreifen, den Staatsbankrott aber dadurch nicht länger als acht Wochen hinauszögern, sollte die Grenze nicht angehoben werden. Aktuell betrage die Verschuldung 13,95 Billionen Dollar, voraussichtlich zwischen dem 31. März und dem 16. Mai werde das Limit erreicht.

Verglichen mit der immensen Sprengkraft, die ein auch nur kurzzeitiger Zahlungsverzug für die Weltwirtschaft hätte, blieben die Finanzmärkte am Freitag gelassen. Der Dollar legte sogar zu, der Goldpreis fiel.

"Es wird den USA gar nichts anderes übrig bleiben, als die Schuldengrenze hochzusetzen. Das weiß man auch an den internationalen Finanzmärkten", sagte Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), dem Abendblatt.

Geithner erinnerte die Abgeordneten daran, dass der Kongress bislang immer diese Obergrenze angehoben habe, "wenn es notwendig wurde". Doch diesmal ist ein solcher Vorgang keine Routinehandlung: Im Kongress haben die oppositionellen Republikaner die Mehrheit. "Die Drohung Geithners gehört zum politischen Spiel", sagte Straubhaar. "Es geht um die Frage, welchen Preis Präsident Obama zahlen muss, damit die Republikaner im Kongress die Anhebung der Schuldenobergrenze nicht blockieren."

Investoren wissen aber wohl auch, dass Geithners Drohung ins Leere läuft: "Es ist juristisch gar nicht möglich, den Schuldendienst einzustellen, nur weil eine selbst erklärte Obergrenze der Verschuldung erreicht ist", erklärte der HWWI-Chef. Die Regierung werde weiter alle Verbindlichkeiten erfüllen müssen. "Natürlich werden die USA nicht insolvent", sagte auch Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, dem Abendblatt - zumal die Republikaner bereits Kompromissbereitschaft signalisierten. "Müssen wir die Schuldengrenze anheben? Ja", sagte Paul Ryan, der republikanische Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Repräsentantenhaus. Sein Parteikollege John Boehner, der Präsident des Repräsentantenhauses, verlangte als Gegenleistung jedoch umfangreiche Einsparungen: "Das amerikanische Volk wird eine solche Erhöhung nicht zulassen, wenn Präsident und Kongress nicht zugleich die Ausgaben reduzieren."

Experten glauben allerdings nicht, dass der Anstieg der Verschuldung so bald gestoppt werden kann. Zwar wächst die US-Wirtschaft, eigentlich eine gute Voraussetzung für eine Haushaltskonsolidierung. Doch das Problem ist der Arbeitsmarkt. "Das US-Haushaltsdefizit ist eine Reaktion auf die hohe Arbeitslosigkeit", erklärte Krämer. Deren Quote liege noch immer bei fast zehn Prozent - und etwa die Hälfte von ihnen sind Langzeitarbeitslose, eine für Amerika ungewöhnliche Situation.

Auch wenn die Finanzmärkte am Freitag ruhig blieben, blicken Investoren angesichts der Euro-Krise mit zunehmender Besorgnis auf die Verschuldung vieler führender Industrieländer. "Dabei stehen die USA vielleicht nicht besser, aber zumindest weniger schlecht da als die anderen", so Krämer. Denn auf etwas längere Sicht wirke sich dort neben der wachsenden Wirtschaft auch die ebenfalls wachsende Bevölkerungszahl positiv aus. Dagegen zeigt die demografische Tendenz in Teilen Europas und in Japan nach unten.

"Nicht auf die absolute Höhe der Verschuldung kommt es an, sondern auf das Vertrauen der Investoren in die Fähigkeit, die Schulden auch zu bedienen", ergänzte Straubhaar. Und speziell im Hinblick auf Amerika ist dieses Vertrauen bislang offenbar nicht ernsthaft gefährdet: "Die USA könnten jederzeit die Steuern erhöhen oder neue Dollar drucken, die ihnen weltweit auch abgenommen werden." Außerdem haben die USA in der Vergangenheit mehrfach gezeigt, dass Schuldenberge auch wieder abgetragen werden können.

"Bei aller Sorge um die hohe Staatsverschuldung der USA sollte man das Problem nicht überschätzen", meint der HWWI-Direktor. "Der Schuldenstand im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt ist in Amerika nur leicht höher als der in der Euro-Zone und nicht einmal halb so hoch wie in Japan." Dass der fernöstliche Staat nicht längst unter dieser Last zusammengebrochen ist, hat mit einer Besonderheit zu tun: "Dort sind die Gläubiger nahezu ausschließlich Inländer, die am Wohle Japans interessiert sind."

Amerikas Geldgeber sind dagegen überwiegend Ausländer. Ganz oben auf der Liste mit einem Anteil von zusammen rund 50 Prozent stehen China, Japan und Großbritannien. Ein Interesse, die USA in den Ruin zu treiben, dürften aber auch sie nicht haben - und die Republikaner im Washingtoner Kongress schon gar nicht. Zwar zwangen sie 1995 den demokratischen Präsidenten Bill Clinton, einen Teil der Zahlungen an die Gläubiger zu stoppen. Doch das kam in der Bevölkerung nicht gut an: Clinton wurde später wiedergewählt.