Maritimer Koordinator Hans-Joachim Otto erwartet Einhaltung von Zusagen. Reederverbandspräsident Michael Behrendt sieht das Problem beim Bund

Hamburg. Es ist eine Frage von hoher Symbolkraft. Deutschland hat die drittgrößte Handelsflotte der Welt mit insgesamt 3500 Frachtern - doch nur ein kleiner Teil von ihnen fährt unter deutscher Flagge. Überwiegend nutzen die Reeder finanziell günstigere Regelungen anderer Flaggenstaaten wie etwa Liberia oder Panama. Die Bundesregierung möchte mehr deutsche Schiffe unter der Flagge ihres Heimatlandes sehen, auch als Gegenleistung für politische Hilfen. Und der Verband Deutscher Reeder (VDR) sagte im Jahr 2006 zu, dass Ende 2010 auf 600 Frachtern Schwarz-Rot-Gold wehen soll. Derzeit aber sind nur 439 Handelsschiffe deutsch geflaggt.

Viele Reedereien argumentieren damit, dass sie angesichts der Weltwirtschaftskrise und ihrer Folgen die höheren Personalkosten unter deutscher Flagge derzeit nicht tragen können. Zudem missfällt es der Branche, dass der Bund seine Zuschüsse zu den Lohnkosten für Seeleute von 2011 an deutlich reduziert. "Es gibt derzeit Gedanken und Beschlüsse in Berlin, die die Attraktivität der Flagge reduzieren", sagte VDR-Präsident Michael Behrendt dem Abendblatt. "Dagegen halten die europäischen Nachbarländer ihre Hilfen aufrecht. Als VDR-Präsident setze ich mich dafür ein, dass die Reeder ihre Verpflichtungen gegenüber der Regierung erfüllen und wieder mehr Schiffe unter deutsche Flagge stellen. Aber das geht nur, wenn der Bund auch für geeignete Rahmenbedingungen sorgt."

Der parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto (FDP), Maritimer Koordinator der Bundesregierung, erwartet Bewegung bei den Reedern. "Ich klammere mich bei der Zahl von 600 Schiffen nicht an den Stichtag 31. Dezember 2010", sagte er dem Abendblatt. "Aber ich erwarte, dass die Reeder ihre Zusagen erfüllen, wenn die wirtschaftliche Lage wieder besser wird." Was "besser" heißt, ist letztlich aber immer auch Ermessensfrage. Vor allem die Banken drängten die Schiffseigner derzeit, nicht auf die deutsche Flagge umzusteigen, heißt es. Sie wollen keine zusätzlichen Belastungen in den Bilanzen ihrer Kreditnehmer.

Viele Reedereien sind kleinere Familienunternehmen mit wenigen Schiffen und geringem finanziellen Polster. In der Branche kalkuliert man je nach Schiffsgröße mit Mehrkosten von 200 000 bis 400 000 Euro im Jahr. Diese ergeben sich vor allem bei den höheren Gehältern und Bildungsaufwendungen für das Führungspersonal auf Schiffen unter deutscher Flagge.

Otto will den Schifffahrtsunternehmen entgegenkommen. Man spreche mit dem VDR über Erleichterungen bei der Schiffsbesetzungsverordnung. "Es geht darum, bestehende Regelungen weniger bürokratisch auszulegen, Kosten zu reduzieren und auf diesem Weg mehr Schiffe unter deutsche Flagge zu bringen", sagte Otto. Für eine Lösung peile er die Nationale Maritime Konferenz im Mai in Wilhelmshaven an.

Der Hamburger Charterreeder Claus-Peter Offen hatte in der vergangenen Woche in Hamburg das Großcontainerschiff "La Spezia" von der liberianischen auf die deutsche Flagge umgestellt. Die "La Spezia" und die am Montag in Südkorea getaufte "Livorno" - beide betreibt Offen für die Linienreederei MSC - sind derzeit die größten Schiffe unter deutscher Flagge. Offen hatte sich in Hamburg enttäuscht gezeigt, dass andere Reedereien ihre Zusagen nicht wie verabredet erfüllen.