Hamburger Unternehmen befürchten Bewerberknappheit. 2010 acht Prozent mehr Ausbildungsverträge geschlossen

Hamburg. Wenn Globetrotter nicht gewesen wäre, hätte es für Franco Bendaña ziemlich eng werden können. Der stille Junge hat dem Lernen nie viel abgewinnen können, verließ die Förderschule Rahlstedt ohne Abschluss. Doch bei dem Hamburger Outdoorspezialisten bekam der 16-Jährige eine Chance. Er nimmt die Waren im Lager an, verteilt sie weiter. "Schöne Produkte", sagt er, die Fleecejacken zum Wandern, die Campingkocher und die Boote. Nach der Arbeit paddelt Franco gerne selber durch die Alsterkanäle. Seine Eltern sind stolz auf ihn, er hat sein Leben in der Hand.

Denn bei Globetrotter wird Franco nicht nur als Fachlagerist ausgebildet, sondern nach der Lehre auch übernommen. "Wir machen sehr gute Erfahrungen mit den Jungen und Mädchen, die ohne Abschluss zu uns kommen", sagt Jawid Sultany. Er ist Francos Ausbilder und gehörte einst selber zu den benachteiligten Jugendlichen, die Globetrotter Jahr für Jahr besonders fördert.

Auch Konzerne wie Siemens oder Airbus bemühen sich um Schüler, denen anderswo die Chancen fehlen. Noch sind solche Förderprogramme meist Ausdruck des sozialen Gewissens der Firmen. Doch bald werden sie zur wirtschaftlichen Notwendigkeit. Denn die Ausbildung steht an einem demografischen Wendepunkt. "Während es bisher darum ging, genügend Ausbildungsplätze für steigende Bewerberzahlen zu akquirieren, stellt sich die Aufgabe künftig zunehmend umgekehrt: Nicht Ausbildungsstellen, sondern Bewerber werden knapp", sagte Handelskammer-Präses Frank Horch gestern bei der Präsentation der Lehrstellenbilanz. Spürbar sei diese Tendenz bereits in der Industrie und der IT.

Zwar ist Hamburg als attraktive Stadt für Jugendliche noch im Vorteil. "Aber auch die Zahl der Bewerber aus dem Umland ist bereits drastisch zurückgegangen", sagte Rolf Steil, Chef der Agentur für Arbeit. Zudem habe sich der doppelte Abiturjahrgang bei der Zahl der Bewerber nicht so positiv ausgewirkt wie erwartet.

Insgesamt haben in Hamburg in diesem Jahr bisher 12 602 Jugendliche einen Ausbildungsvertrag unterschrieben, das sind acht Prozent mehr als im Vorjahr. Und auch, wenn die Zahl um 3,2 Prozent unter dem Rekordergebnis von 2008 liegt, werteten die Wirtschaft und die Hamburger Agentur für Arbeit die Lehrstellenbilanz als Erfolg: "Die Betriebe haben die Zahl der Ausbildungsplätze bereits in der Krise hochgefahren", lobte Rolf Steil. "Mit 2600 neuen Lehrverträgen haben unsere Betriebe gegenüber dem Vorjahr 10,3 Prozent mehr Jugendlichen einen Ausbildungsplatz geboten", sagte Josef Katzer, Präsident der Handwerkskammer Hamburg. Noch immer sind Handwerksberufe eine männliche Domäne. 1827 der neuen Lehrlinge sind junge Männer, nur 773 Frauen. Über zu wenige Bewerbungen klagen besonders die Maler und das Metallhandwerk.

Bundesweit ist die Zahl der Auszubildenden schon zurückgegangen

Während in Hamburg die Zahl der Auszubildenden noch gestiegen ist, haben bundesweit schon jetzt weniger Jugendliche eine Lehre begonnen. Insgesamt haben Unternehmen und Verwaltungen in diesem Jahr 560 073 neue Lehrverträge abgeschlossen und damit 4200 weniger als 2009, meldete das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Die Gewerkschaft IG Metall sprach entsprechend von einer negativen Ausbildungsbilanz. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) argumentierte indes, die Zahl der an einer Ausbildung interessierten Jugendlichen sei demografiebedingt stark gesunken. "Die Wirtschaft wird bald jeden jungen Menschen brauchen, auch solche Jugendliche, die bislang Schwierigkeiten beim Einstieg in Ausbildung hatten."

In Hamburg weiten Betriebe wie Globetrotter ihre Programme zur Förderung benachteiligter Jugendlicher daher weiter aus. "Wir bieten unseren Teamleitern jetzt auch spezielle Schulungen an, weil wir in Zukunft noch mehr schwächere Auszubildende einstellen wollen", sagte Sultany.

Die Agentur für Arbeit stellt zudem 2011 gut 100 000 Euro für eine sozialpädagogische Begleitung von Auszubildenden zur Verfügung. Agentursprecher Knut Böhrnsen: "Wir helfen bei persönlichen Problemen der jungen Leute im Elternhaus oder mit dem Betrieb." So könnten mehr Jugendliche ihre Ausbildung erfolgreich abschließen. So wie Franco Bendaña.