Reeder Claus-Peter Offen flaggt die “La Spezia“ auf Deutschland um. Andere Schiffseigner halten sich zurück

Hamburg. Um 13.18 Uhr erklingt auf der Brücke der "La Spezia" am Terminal von Eurogate die deutsche Nationalhymne. Reeder Claus-Peter Offen steht mit Kapitän Hans-Georg Voskamp und Taufpatin Sabine Pfeiffer obendrüber in eisiger Luft auf dem Signaldeck. "Hol nieder Liberia-Flagge", sagt der Reeder zum Kapitän, "hisse deutsche Flagge." Voskamp zieht Schwarz-Rot-Gold auf. Damit wird der 366 Meter lange Containerfrachter zum größten deutschen Schiff. Am Heck malt unterdessen ein Matrose den neuen Heimathafen auf: Hamburg anstelle von Liberias Hauptstadt Monrovia.

Schiffe wie die "La Spezia", die 14 000 Containereinheiten (TEU) tragen können, sind die neueste Generation von Großcontainerfrachtern. 18 dieser Riesen ließ und lässt Offen bei Daewoo in Südkorea bauen. Alle sollen für MSC fahren, die zweitgrößte Linienreederei der Welt. Neun der Schiffe betreibt die Reederei mit Sitz in Genf nach der Ablieferung selbst, die anderen fährt Offen in Langzeitcharter für MSC.

"Wirtschaftlich macht die Umflaggung auf Deutschland ja keinen Sinn", sagt Offen später auf der Brücke. "Aber ich bin stolz, dass einige dieser Schiffe für unsere Hamburger Reederei mit Heimathafen Hamburg fahren." Am Montag wird in Südkorea die "Livorno" getauft und deutsch geflaggt, ein Schwesterschiff der "La Spezia".

Derzeit laufen nur 439 Frachter unter deutscher Flagge

Liberia ist eine der beliebtesten Billigflaggen für die internationale Schifffahrt. Die Umflaggung auf Deutschland hat vor allem symbolischen und politischen Charakter. Die Reeder haben der Bundesregierung über ihren Hamburger Verband VDR im Jahr 2006 zugesagt, bis Ende 2010 insgesamt 600 Schiffe unter deutscher Flagge laufen zu lassen - das allerdings war vor der Weltwirtschaftskrise. Zwischenzeitlich waren mehr als 500 Frachter deutsch, derzeit aber sind es nunmehr 439.

Offen, der weltweit führende Charterreeder für Containerschiffe, lässt 20 seiner derzeit 108 Schiffe unter deutscher Flagge fahren. Er ärgert sich, dass die Zusagen für die Umflaggung nicht von allen anderen Reedereien eingehalten werden, denn das bringt ihm einen Nachteil im Wettbewerb. "Viele haben zugesagt, machen aber nicht mit, weil es ihnen zu teuer ist. In unserem maritimen Bündnis mit der Bundesregierung hakt es gerade ein bisschen."

Anfang des zurückliegenden Jahrzehnts leitete die damalige rot-grüne Bundesregierung eine neue Politik zur Stärkung der maritimen Wirtschaft in Deutschland ein. Kernelement war die finanzielle Erleichterung durch die Einführung der pauschalen Tonnagesteuer für Gewinne aus dem Schiffsbetrieb. Als eine der Gegenleistungen sagten die Schifffahrtsunternehmen damals zu, wieder deutlich mehr Schiffe unter deutscher Flagge fahren zu lassen. Denn Deutschland besitzt nach Japan und Griechenland die drittgrößte Handelsflotte der Welt und die mit Abstand größte Flotte von Containerschiffen.

Die Umflaggung kostet jährlich je Schiff 200 000 bis 400 000 Euro mehr

Die Bundesregierung versteht die Umflaggung als Bekenntnis der Branche zum Schifffahrtsstandort Deutschland. Allerdings kündigte der maritime Koordinator, der parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto, vergangene Woche an, dass der Bund die Lohnsteuerrückzahlungen für Seeleute 2011 von 48 auf unter 20 Millionen Euro kürzen werde. "Das macht Umflaggungen vor allem für kleinere Reedereien schwieriger, denn je Schiff entstehen dadurch 200 000 bis 400 000 Euro Mehrkosten im Jahr", sagte Jan-Thiess Heitmann vom VDR dem Abendblatt. Je Schiff unter deutscher Flagge seien fünf Plätze für deutsch sprechendes und in deutschem Recht ausgebildetes Führungspersonal vorgesehen. Diese Offiziere und Kapitäne kosten mehr als andere Seeleute in leitender Funktion.

"Die Schiffsbanken, die Frachter deutscher Reeder finanzieren, machen Druck auf die Schifffahrtsunternehmen, dass diese ihre Kosten senken. Das ist ein Grund für die Zurückhaltung bei den Umflaggungen", sagte Heitmann. Schwierig sei das vor allem bei kleineren Schiffen, auf denen in Bezug auf die Frachtkapazität relativ viele Seeleute fahren. Der Verband werde jedoch weiterhin auf seine Mitgliedsunternehmen einwirken, die Zusagen zu erfüllen.