Ökonomen streiten über die Perspektiven der Währungsunion. Euro-Kritiker wollen Transferunion stoppen

Hamburg. Jahrelang lief alles gut. Der mit der Einführung des Euro größer und liquider gewordene Währungsraum zog immer mehr Investoren an. Die südlichen Länder hatten erstmals niedrige Zinsen. Das Kapital floss reichlich und billig. Die Refinanzierung der hohen Staatsschulden war kein Problem mehr. Die günstigen Kredite stimulierten in Spanien einen beispiellosen Bauboom und in Griechenland den Konsum. Doch die Finanzkrise beendete diesen Kreislauf abrupt. Wie so oft, stellen die Anleger auf dem Höhepunkt eines Booms vieles infrage, was vorher ganz normal schien. Zum Beispiel die dauerhafte Finanzierung der Staatsschulden von Ländern wie Griechenland, Irland, Portugal oder Spanien.

Deshalb wurde von der EU im Mai 2010 ein Rettungsschirm über 750 Milliarden Euro geschaffen. Er soll die Refinanzierung kriselnder Euro-Staaten ermöglichen, wenn sie am Kapitalmarkt keine Kredite mehr zu tragbaren Zinsen bekommen. Mittlerweile ist unter Ökonomen ein heftiger Streit ausgebrochen, ob der Schirm mit noch mehr Kapital ausgestattet oder ein Nord-Euro für ausschließlich finanzstarke Länder eingeführt werden sollte.

"Es ist sinnvoll, den Rettungsschirm jetzt zu erweitern, denn wenn Spanien daraus noch Mittel beziehen sollte, könnte es knapp werden", sagt Henning Vöpel vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI). Bundesbank-Präsident Axel Weber hat als erster Spitzenvertreter der Euro-Zone eine Aufstockung des Rettungsschirms ins Gespräch gebracht. "Es war zu erwarten, dass der 750 Milliarden Euro große Rettungsschirm jetzt möglicherweise noch einmal verdoppelt werden muss", sagt der ehemalige Hamburger Wirtschaftssenator Wilhelm Nölling. "Man stabilisiert damit aber nur für eine gewisse Zeit. Das Geld hilft hauptsächlich den Banken, bringt aber keine Unterstützung für die daniederliegenden Volkswirtschaften der betroffenen Länder." Nölling hat mit anderen Euro-Kritikern beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen die Finanzhilfen für EU-Staaten eingereicht. Und der streitbare Ökonom macht sich ohne Umschweife für einen Nord-Euro stark. Nur so könne die Währung langfristig gerettet werden. Die südeuropäischen Staaten sollten sich zu einer eigenen Mittelmeerunion zusammenschließen.

Nach Irland gilt Portugal als nächster Kandidat für den Rettungsschirm. "Die portugiesische Regierung wird derzeit bearbeitet, dass sie die Hilfe der EU in Anspruch nimmt, damit wieder mehr Ruhe an den Märkten einkehrt", sagt Jochen Intelmann, Chefvolkswirt der Hamburger Sparkasse. Er schätzt das Volumen für das Land auf 50 bis 60 Milliarden Euro. Das Rettungspaket für Irland in Höhe von wahrscheinlich 85 Milliarden Euro soll bis Anfang nächster Woche festgezurrt werden. Spaniens Ministerpräsident Rodriguez Zapatero bekräftigte am Freitag, es sei "absolut ausgeschlossen", dass sein Land auf den Rettungsfonds zurückgreifen müsse.

EU-Experten bringen gemeinsame Anleihe ins Gespräch

Mit einer möglichen Ausweitung des Rettungsschirms rückt eine weitere Finanzierungsform in den Fokus. Die Länder könnten nach Meinung von EU-Experten entsprechend einem Maastricht-Kriterium 60 Prozent ihrer Staatsschulden über gemeinsame Anleihen finanzieren, hinter der nicht mehr ein einzelner Staat, sondern die gesamte Euro-Zone steht. Benötigen die Länder mehr Mittel, müssten sie eigene Anleihen begeben, die dann nur zu deutlich höheren Zinsen Käufer finden würden. "Das wäre eine vertretbare Alternative, auch wenn sich dadurch das Zinsniveau in Deutschland leicht erhöhen würde", sagt Udo Steffens von der Business School of Finance & Management. "Das wäre der Preis, den wir für den Erhalt der Währungsunion zahlen müssten, von der wir stark profitieren."

Dagegen sieht es Professor Stefan Homburg von der Uni Hannover als gefährlich an, "wenn die Schulden immer eine Ebene höher geschoben werden, statt einen klaren Schuldenschnitt zu machen". Erst hätten die irischen Banken die Schulden gehabt, dann der irische Staat, und jetzt würden sie in den Rettungsfonds verlagert. "Ewig kann man dieses Spiel nicht betreiben. Irgendwann werden die Investoren erkennen, dass über diesem Rettungsschirm nur noch der blaue Himmel ist", sagt Homburg. Er spricht sich klar dafür aus, den Rettungsschirm zuzuklappen und nicht den Erpressungsversuchen der Banken nachzugeben.

Die Folgen eines Haircuts würden überbewertet. "Die Banken müssen nicht einmal Forderungen abschreiben, wenn man die Rückzahlung streckt und die Zinszahlungen reduziert", sagt Homburg. Irland würde deshalb nicht zum Entwicklungsland, denn es habe ein um 20 Prozent höheres Pro-Kopf-Einkommen als Deutschland. "Aber es müsste seine Unternehmenssteuern erhöhen", sagt Homburg. Auch er befürwortet wie Nölling den Nord-Euro. Denn die Einstellung zur Inflation sei eben zwischen nord- und südeuropäischen Staaten sehr unterschiedlich.