Hamburgs Industrie im Boom: Sie gibt wieder Millionen für neue Projekte aus. Mercedes weitet die Produktion im Harburger Werk aus.

Hamburg. Der Richtkranz schwebt über dem Rohbau der Halle. Mit mehr als 100 Gästen hat Mercedes-Benz am Freitag den ersten Schritt zu einer neuen Fertigung im Harburger Werk gefeiert. 17 Millionen Euro nimmt das Unternehmen dafür in die Hand. "Glück und Segen", wünschte Stahlrichtmeister Andreas Fettke-Rutt und zudem "allzeit ein gutes Gelingen für die neue Produktion". Die soll in Harburg noch im kommenden Jahr beginnen, wenn die für den Sommer erwarteten Spritzgießmaschinen für die Herstellung der leichten Kunststoff-Metallverbundteile stehen. In dem neuen 10 000 Quadratmeter großen Gebäude wird Mercedes Träger fertigen, die später für alle Pkw-Typen bestimmt sind. "Mit den Leichtbaukomponenten eröffnet sich für das Werk Hamburg eine nachhaltige Zukunftsperspektive", so der Konzern.

Fast jedes vierte Unternehmen will in der nächsten Zeit investieren

Und Mercedes ist nur eines unter vielen Hamburger Betrieben, das in diesem Jahr seine Investitionen hochfahren wird. "Derzeit will fast jedes vierte Industrieunternehmen in der Hansestadt in den nächsten zwölf Monaten kräftig investieren", sagt Torsten König von der Handelskammer dem Abendblatt. Damit stehen die Produktionsbetriebe deutlich besser da als der Durchschnitt der gesamten Hamburger Wirtschaft. Nur knapp jeder zehnte Industriebetrieb kann sich dagegen vorstellen, seine Ausgaben in naher Zukunft einzuschränken. Zum Vergleich: Noch vor einem Jahr wollte mehr als jedes dritte Unternehmen auf die Investitionsbremse treten.

Auch bei Still ist man offensichtlich davon überzeugt, dass der Aufschwung länger anhält. Der Hamburger Produktionsbetrieb stellte erst im April eine Halle für den Bau eines neuen, für Hochregallager geeigneten Gabelstaplers und elektrische Zugmaschinen fertig. Allein der Umbau der Halle kostete zehn Millionen Euro. Zudem wird in einem Anbau eine neue Lackiererei getestet, in der die Stapler ihre silbernorange Farbe erhalten. Zum Jahresende soll das Projekt abgeschlossen sein. "Damit liegen unsere Investitionen in diesem Jahr deutlich höher als 2009", so Jürgen Wrusch von Still.

Besonders erfreulich: Hamburgs Unternehmen geben ihr Geld nicht nur für die Modernisierung der bestehenden Anlagen aus. "Wichtig ist, dass jetzt jedes zweite Unternehmen in Innovationen und mehr als jedes fünfte in die Ausweitung der Fertigung investiert", sagt Torsten König von der Handelskammer. In der Krise hätten die Firmen dagegen allenfalls "das Nötigste" gemacht. "Nun geht es wieder um Expansion und die Eroberung neuer Märkte", so der Experte.

"Auch wir spüren die optimistische Stimmung", sagt Marc März, Sprecher des Industrieverbandes Hamburg, der in der Hansestadt 220 Firmen vertritt. Alle Bereiche, von der Medizintechnik über die Elektronik und die Chemie bis hin zum Maschinenbau, stellten sich auf bessere Zeiten ein. "Der Boom ist da." Das sah vor einem Jahr noch ganz anders aus. So sank die von der Hamburger Industrie investierte Summe 2009 um 24,9 Prozent auf 676 Millionen Euro, wie das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein errechnet hat. Der Rückgang war damit sogar noch stärker als auf Bundesebene. Dort betrug der Einbruch 22,1 Prozent auf 46,8 Milliarden Euro.

Positiv ist, dass die Investitionen mittlerweile auch für neue Arbeitsplätze sorgen. "So ist die Zahl der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe in der Hansestadt im August gegenüber Juli um 800 auf 96 800 gestiegen", sagt Rolf Steil, der Chef der Hamburger Arbeitsagentur, dem Abendblatt.

Auch Lufthansa Technik will 2010 in Hamburg zwei Millionen Euro mehr als im Vorjahr investieren. Allein acht Millionen Euro gehen in die Erweiterung der Werkstätten, in denen Flugzeugspitzen oder Triebwerksverkleidungen aus Verbundwerkstoffen repariert werden. Weitere vier Millionen Euro steckt die Techniktochter der Lufthansa in den Ausbau der Bereiche, in denen sie die Hydraulik, die Elektronik und die Computer an Bord der Jets prüft und repariert. "Der Standort wird weiter ausgebaut, auch weil hier die Entwicklungsarbeit für alle weltweiten Standorte geleistet wird", sagt Lufthansa-Sprecher Bernd Habbel.

Und beim Gabelstaplerhersteller Jungheinrich fließen jetzt mehr als zehn Millionen Euro in das größte Werk in Norderstedt. Noch bis zum Jahresende soll dafür, ähnlich wie bei der Konkurrenz von Still, eine Pulverbeschichtungsanlage in Betrieb genommen werden. "Das ist die größte Einzelinvestition des Konzerns in diesem Jahr, und wir werden auch künftig weiter in den norddeutschen Standort investieren", sagt Jungheinrich-Sprecher Markus Piazza. Nach dem Einbruch 2009, als auf dem Weltmarkt 40 Prozent weniger nachgefragt wurde, ist Jungheinrich wieder auf Wachstumskurs eingeschwenkt.

Auch der Maschinenbauer Körber hält die Investitionen mit 50 Millionen Euro auf "hohen Niveau", wie Sprecherin Bettina Lichtenberg sagt. Zu den größten Projekten gehört in diesem Jahr die Modernisierung von Produktionshallen beim Zigarettenmaschinenhersteller Hauni in Bergedorf. "Es geht uns um eine neue Organisation für die Produktion mit kürzeren Wegen, aber auch um ein besseres Arbeitsklima für die Belegschaft", so Lichtenberg.

Um wie viel Prozent genau das Investitionsvolumen der Industrie in diesem Jahr zunehmen wird, lässt Handelskammer-Referent König zwar noch offen. Klar ist aber: Nachdem immer mehr Firmen Projekte für die kommenden zwölf Monate angekündigt haben, wird sich der Trend zu höheren Ausgaben auch 2011 fortsetzen.