Konzern streicht 4500 Stellen. Betriebsrat spricht von “panischer Reaktion“. Aktie legt zu

Leverkusen/Hamburg. Die drastischen Sparpläne des Chemieriesen Bayer trotz des Konjunkturaufschwungs und hoher Gewinne stoßen auf heftige Kritik bei den Arbeitnehmervertretern. Der Gesamtbetriebsrat könne den geplanten Abbau von weltweit 4500 Arbeitsplätzen, davon 1700 in Deutschland, nicht nachvollziehen, hieß es in einer Erklärung des Gremiums am Freitag.

Der Berliner Betriebsratsvorsitzende Yüksel Karaaslan nannte das Vorhaben des neuen Konzernchefs Marijn Dekkers "völlig überzogen". Es handele sich offenbar um eine panische Reaktion auf eine absehbare vorübergehende Wachstumspause."Kurzsichtiger geht es insbesondere in einer Zeit, in der wir alle vor dem großen Problem des demografischen Wandels stehen, wirklich nicht mehr", sagte Karaaslan. Der Konzern müsse sich darum bemühen, Mitarbeiter zu halten, statt sie abzubauen. Sonst werde man in Zukunft händeringend Beschäftigte suchen müssen.

An der Börse dagegen wurde das Sparprogramm bejubelt. Die Bayer-Aktie kletterte um 2,2 Prozent auf 57,78 Euro, während der Deutsche Aktienindex (DAX) nur um knapp 0,2 Prozent zulegte. Das angekündigte Restrukturierungsprogramm sehe mit einem jährlichen Einsparungsvolumen von 800 Millionen Euro "beeindruckend" aus, kommentierten die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg und setzten ihr Kursziel für das Papier von 56 Euro auf 62 Euro hoch. Die Branchenexperten bei Independent Research begrüßten die stärkere Fokussierung auf Schwellenländer und hoben das Kursziel von 60 auf 61 Euro hoch. Die Investmentbank J. P. Morgan Cazenove sieht für den Gewinn je Aktie im Jahr 2013 ein zusätzliches Potenzial von sechs Prozent und bestätigte ihre positive Einschätzung der Aktie.

Bayer folgt mit seinem Sparprogramm dem Beispiel großer Pharmakonzerne wie Pfizer oder Merck und Co. Auch der Schweizer Konkurrent Roche hatte erst vor wenigen Tagen die Streichung von 4800 Arbeitsplätzen angekündigt.

Mit dem Sparprogramm will Bayer zusätzliche Mittel für die Forschung und Entwicklung neuer Medikamente und Pflanzenschutzmittel sowie für die Expansion in den wachstumsstarken Regionen Asiens freisetzen, wie das Unternehmen mitteilte. In den Schwellenländern sollen bis Ende 2012 rund 2500 neue Arbeitsplätze entstehen. Aufgrund einer Beschäftigungssicherungsvereinbarung sind in Deutschland betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2012 ausgeschlossen. Der Stellenabbau werde vor allem über Fluktuationen und Aufhebungsverträge erfolgen, betonte das Unternehmen. "Bayer hat in der Vergangenheit notwendigen Arbeitsplatzabbau stets sozialverträglich gestaltet. Das ist mir auch jetzt sehr wichtig", sagte Konzernchef Dekkers.

Nach Informationen der "Rheinischen Post" soll sich der geplante Abbau von 1700 Stellen in Deutschland bis Ende 2012 so aufteilen: 400 Stellen in Forschung und Entwicklung, 400 Stellen in der Informationstechnik und 900 Stellen in der Verwaltung. Ein Bayer-Sprecher wollte diese Zahlen nicht kommentieren. Der Bayer-Konzern hat weltweit 108 000 Mitarbeiter, davon mehr als 36 000 in Deutschland. In Norddeutschland ist Bayer mit einem Werk in Brunsbüttel vertreten, das nach Angaben des Unternehmens rund 600 Beschäftigte hat, sowie mit einem Standort in Kiel.