Viele junge Anwälte gründen Gemeinschaftskanzleien mit Spezialgebiet. Ein Hamburger Team berät nur Mittelständler

Hamburg. Die weiße Farbe an den Wänden ist gerade erst getrocknet, die Bilder sind noch nicht aufgehängt. Im Konferenzraum ist die einzige Dekoration bislang ein Strauß aus gelben und roten Feldblumen. Am Konferenztisch aus dunklem Holz wurde trotzdem schon so manches wichtige Gespräch geführt - auch wenn Holger Meyer, Nils Schramm, beide 37, und Michael Kuhnke, 36, ihre Kanzlei erst Anfang Oktober gegründet haben.

"Das Echo unserer Mandanten bestärkt uns darin, dass wir den richtigen Schritt gemacht haben", sagt Meyer. Mit seinen beiden Mitstreitern berät er bereits mehrere Klienten in puncto Arbeitsrecht, darunter eine Papierfabrik in Bayern und einen Automobilzulieferer in Norddeutschland. "Wir sehen da eine Marktlücke, gerade beim Mittelstand gibt es echten Bedarf für unsere Beratungsleistungen", sagt Schramm. Arbeitnehmer vertreten die drei Anwälte hingegen nicht.

Sie haben sich auf die Beratung von mittelständischen Unternehmen spezialisiert - im Branchensprech nennt sich das Arbeitsrecht-Boutique. Ganz im Sinne einer Boutique im Einzelhandel mit maßgeschneiderter Ware, nichts von der Stange oder für den breiten Massenmarkt. Mit dem Vorteil allerdings, dass eine kleine Kanzlei ohne großen Kostenapparat ganz andere Preise als die Branchengrößen anbieten kann - und damit auch kleinere Firmenkunden anlockt.

Damit steht die neue Kanzlei in dem frisch sanierten Bürogebäude an der ABC-Straße für einen bundesweiten Trend. "In den vergangenen beiden Jahren gab es eine Gründungswelle von jungen Anwälten, die in Großkanzleien eine gute Ausbildung bekommen und sich in ihren speziellen Rechtsgebieten selbstständig gemacht haben", sagt Nicolas Lührig vom Deutschen Anwaltverein. Ein Fokus liege dabei auf Arbeitsrecht - schließlich ein Bereich, der während und nach einer Wirtschaftskrise besonders gefragt ist. Aber auch im Urheberrecht oder in der Beratung von Start-ups sind die jungen Selbstständigen laut Lührig aktiv geworden. Besonders häufig in Hamburg - der Standort hat immer wieder mit Abspaltungen aus Großkanzleien von sich reden gemacht, wie das Branchenmagazin "Juve" schreibt.

Davon können die jüngsten Neugründer Holger Meyer, Nils Schramm und Michael Kuhnke profitieren. Auch sie haben jahrelang Erfahrung in internationalen Kanzleien wie Freshfields und White & Case gesammelt, etwa die Verhandlungen zwischen Continental und Phoenix in Harburg oder den Verkauf der Postbank an die Deutsche Bank begleitet. So ist ein enges Netzwerk aus Mandanten und früheren Arbeitskollegen entstanden. "Sehr viele meiner ehemaligen Kollegen haben denselben Schritt gewagt und eine eigene Kanzlei gegründet", sagt Kuhnke. Der Vorteil: So kann eine Boutique für Gesellschaftsrecht zum Beispiel bei einer Firmenübernahme die arbeitsrechtliche Kompetenz von Schramm, Meyer und Kuhnke hinzuziehen. "Wir profitieren oft von alten Verbindungen aus früheren Zeiten", sagt Schramm.

Aus vergangenen Zeiten stammt auch die Idee, sich gemeinsam selbstständig zu machen. "Wir haben uns damit einen persönlichen Traum erfüllt", sagt Schramm. Die drei Anwälte verbindet mehr als nur die Leidenschaft für Arbeitsrecht: Schramm und Meyer kennen sich seit dem Studium in Kiel, haben denselben Trauzeugen. Alle drei sind verheiratet, haben jeweils einen Sohn und eine Tochter. "Das ist ein wichtiger Aspekt für die Zusammenarbeit - wir haben alle ähnliche Hintergründe und Wertvorstellungen", sagt Kuhnke. Seit Anfang Oktober haben sie auch eine gemeinsame Sekretärin: Holger Meyer hat seine langjährige Assistentin von White & Case mit in die neue Arbeitsrecht-Boutique gebracht.