Gastronomie und Einzelhandel oft betroffen. Hamburger Kammern wollen Beratung verbessern

Hamburg/Berlin. Fast jeder vierte Lehrling kündigt in Hamburg seinen Ausbildungsvertrag vor dem Abschluss. Dies gilt sowohl für die Handelskammer als auch für die Handwerkskammer, die für knapp 13 000 der rund 14 000 Lehrstellen in der Hansestadt stehen. "Besonders betroffen sind Hotellerie, Gastronomie und der Einzelhandel", sagte Rolf Steil, der Chef der Hamburger Arbeitsagentur, dem Abendblatt. Die Abbrecherquote entspricht dem Bundesdurchschnitt. Im Ausbildungsjahr 2009 (zum 30. September) waren bundesweit 566 004 neue Ausbildungsverträge geschlossen worden, 2010 dürfte die Zahl wegen der guten Konjunktur leicht gestiegen sein.

Mehr als die Hälfte der Betroffenen wechseln entweder im selben Beruf in einen anderen Betrieb oder in einen verwandten handwerklichen oder kaufmännischen Beruf. "Kfz-Mechaniker lernen dann etwa Fahrzeuglackierer oder Zimmerer wechseln zur Tischlerlehre", sagte Jörg Ungerer, der Leiter der Bildungspolitik der Handwerkskammer. Der Rest geht jedoch für die ausbildenden Unternehmen verloren, die dann auch ihre Investitionen für die Ausbildung abschreiben müssen.

Handwerksbetriebe bieten Schülern einen Einblick in die Praxis an

Für die Kündigungen sehen beide Kammern vor allem zwei Ursachen: falsche Vorstellungen vom künftigen Beruf sowie Schwierigkeiten der 16- bis 20-Jährigen in der Familie oder mit ihren Chefs oder Kollegen. Mit neuen Programmen steuern die Kammern dieser Entwicklung entgegen. So etwa mit der Serviceagentur Anschluss Handwerk (SAH) der Handwerkskammer. Dabei bieten 188 Betriebe derzeit Schülern von 71 Schulen einen Blick in die Praxis an. "Zudem wurden bis jetzt 250 vierstündige Kurse für jeweils zwölf Teilnehmer in den Bildungszentren von neun Hamburger Handwerksinnungen organisiert", so Ungerer.

Finanziert vom Berliner Bildungsministerium sind zudem 60 Ausbilder im Ruhestand als "Senior Expert Service" unterwegs, um bei schulischen Problemen oder privaten Sorgen zu helfen. Arbeitgeber können sich zudem an die Arbeitsagentur wenden, die eine Betreuung von Jugendlichen durch Sozialpädagogen anbietet. Dazu stellte Agenturchef Steil jährlich 435 000 Euro für Nachhilfeunterricht bereit.

Die Wartezeiten für einen Ausbildungsplatz liegen derzeit für rund 70 Prozent der Hamburger Lehrlinge bei bis zu einem halben Jahr. Nach den jüngsten Umfragen der Kammern bei den Auszubildenden brauchten 30 Prozent der künftigen Handwerker sowie gut 20 Prozent der Lehrlinge im Handel ein Jahr oder länger, bis sie einen Ausbildungsplatz gefunden hatten.