Die Europäer verlieren sowohl Stimmrechte als auch Einfluss. Schwellenländer hingegen werden künftig mehr Einfluss haben.

Gyeongju. Die Schwellenländer wie China werden im Internationalen Währungsfonds (IWF) künftig einen größeren Einfluss haben. Beim Treffen der 20 größten Industrie- und Schwellenländer G20 im koreanischen Gyeongju einigten sich die Finanzminister auf die größte Reform des Währungsfonds seit mehreren Jahrzehnten. Da diese Länder auch die Mehrheit im IWF haben, gilt die Reform damit als so gut wie beschlossen. Der französische IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn sprach im Anschluss an die Beratungen von einer "historischen Entscheidung". Die Reform werde den Währungsfonds "effektiver, glaubwürdiger und legitimer" machen, hieß es in der gemeinsamen Erklärung zum Abschluss des zweitägigen Treffens.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), der für den erkrankten Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach Korea gereist war, sagte, die G20 habe mit der Einigung Handlungsfähigkeit bewiesen. "Wir sind angenehm überrascht, es ist mehr bewegt worden, als wir bei unserer Anreise erwartet hatten", sagte er. Es sei nicht einfach gewesen, aber die größte Reform seit der IWF-Gründung 1944 sei gelungen. Am Ende habe sich eine entscheidende Gruppe von elf Ländern, darunter die G7-Staaten und die vier großen Schwellenländer, geeinigt. Dies sei auch ein Signal an die Märkte: "Die G20 funktionieren nicht nur in der Krise." Damit ist das Paket der zu besprechenden Probleme für das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Seoul in drei Wochen deutlich kleiner geworden. Auch die Koreaner dürften sich freuen. Ihnen gelingt in ihrer G20-Präsidentschaft etwas, womit nicht jeder ernsthaft gerechnet hatte. Dem Vernehmen nach hatten die Unterhändler der beteiligten Länder bis um fünf Uhr morgens hart verhandelt.

Die Einigung sieht vor, dass die Europäer zugunsten der Schwellenländer auf zwei Sitze im Direktorium des Währungsfonds verzichten. Deutschland allerdings behält seinen Executive Director im Fonds. Insgesamt verschiebe sich die IWF-Quote von den über- zu den unterrepräsentierten Ländern um 6,4 Prozent, sagte Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen. Gefordert waren ursprünglich mindestens fünf Prozent. China löst Deutschland als drittgrößten Anteilseigner am Fonds ab. Die zehn größten Eigner sind künftig die USA, Japan, China, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Russland, Indien und Brasilien.

Der Hamburger Professor Karl-Werner Hansmann nannte die neuen Kräfteverhältnisse im Währungsfonds "nachvollziehbar und logisch". Schließlich habe vor allem China als Wirtschaftsmacht in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen, so Hansmann zum Abendblatt.

Nicht gelöst wurde dagegen der Streit um die globalen Ungleichgewichte bei Währungen und Handelsbilanzen. Zwei Tage vor Beginn des Treffens hatte US-Finanzminister Timothy Geithner in einem offenen Brief gefordert, dass Exportländer wie China, Japan und Deutschland ihre Wirtschaftspolitik ändern. "Wir haben trotz E-Mail- und SMS-Verkehr erleben können, dass auch ein konventioneller Brief von Herrn Geithner einiges auslösen kann", sagte Brüderle später scherzhaft. Die USA wollen, dass diese Länder mit Konjunkturprogrammen ihre Binnennachfrage stärker fördern, sodass US-Firmen mehr Waren dorthin exportieren können. Kurz vor den Zwischenwahlen in den USA hat die Regierung von Barack Obama ernste Probleme, weil die heimische Wirtschaft noch nicht so kräftig wächst, dass auch Jobs entstehen. Bei den Wahlen dürfte Obama sehr an Zustimmung einbüßen. Die US-Delegation sollte deshalb mit einem Erfolg aus Korea zurückkehren.

Allerdings sind die Vorstellungen der USA in der Gruppe der 20 nicht konsensfähig. Geithner hatte vorgeschlagen, Handelsüberschüsse auf maximal vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu begrenzen. Brüderle sagte dazu, das Problem sei nicht mit "planwirtschaftlichen Elementen" zu lösen. Zugleich kritisierte er die Geldpolitik der USA. Dass man meine, mit mehr Liquidität die Probleme lösen zu können, halte er für falsch. Eine übermäßige Geldvermehrung sei für ihn "eine indirekte Manipulation" des Dollar-Kurses. Angeblich hat Brüderle in einem Zweiergespräch auch seine französische Kollegin Christine Lagarde davon überzeugt, den Forderungen der USA nicht zuzustimmen.

Nun einigten sich die G20-Staaten lediglich auf eine Absichtserklärung, nach der sie einen Abwertungswettlauf der Währungen verhindern und die Zusammenarbeit beim Abbau von Ungleichgewichten in der Weltwirtschaft verstärken wollen. Ökonom Hansmann sprach von einem "Papiertiger". Er zeigte sich aber zufrieden damit, dass US-Finanzminister Geithner sich mit seinen Vorschlägen nicht durchsetzen konnte. "Dies wäre ein allzu gravierender Eingriff in den Markt gewesen", so Hansmann zum Abendblatt.