Laxe US-Geldpolitik beflügelt deutsche Aktien. Zum Jahresende könnte DAX auf 7000 Punkte steigen. Was Analysten prognostizieren.

Hamburg. Seit Jahresbeginn hat der Deutsche Aktienindex (DAX) um rund neun Prozent zugelegt. Angesichts der großen Unsicherheit über die künftige Entwicklung der Weltwirtschaft kletterten die Kurse in der Regel in den vergangenen Monaten mal hoch, sackten dann aber wieder ab. Doch jetzt, nachdem die Marke von 6500 Punkten nach oben durchbrochen wurde und damit das Börsenbarometer wieder das Niveau wie zu Zeiten vor dem Kollaps der Lehman-Bank erreicht hat, erwarten viele Experten weiter steigende Kurse. Sie nehmen Zielmarken von 7000 bis 8000 Punkten beim DAX ins Visier. Allein in den vergangenen zwei Wochen stiegen die Kurse der 30 wichtigsten deutschen Aktien um durchschnittlich sechs Prozent.

Auch die Stimmung unter Privatanlegern hat sich im dritten Quartal deutlich gebessert, geht aus einer Umfrage der Fondsgesellschaft Union Investment hervor. 48 Prozent der Befragten rechnen in den nächsten sechs Monaten mit steigenden Aktienkursen, ein Plus von 17 Prozentpunkten gegenüber dem zweiten Quartal 2010. Kursrückgänge befürchten nur noch 14 Prozent.

M.M. Warburg erwartet für DAX bis Ende 2011 etwa 8000 Punkte

Immer mehr Anleger fragen sich deshalb, ob sie nicht etwas verpassen, wenn sie dem Aktienmarkt auch in den nächsten Monaten fernbleiben. Denn es gibt hochgesteckte Ziele. Schon weit voraus blickt die traditionsreiche Hamburger Privatbank M.M. Warburg. "In den nächsten zwei Jahren kann der DAX wieder 8000 Punkte erreichen", sagt Christian Jasperneite vom Bankhaus Warburg. Schon im kommenden Jahr rechnet das Institut damit, dass die 7000 Punkte überschritten werden.

"Mit Blick auf die Gewinne der Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis im DAX bei 10,6", sagt Jasperneite. "Da kann man nicht von einem überteuerten Aktienmarkt sprechen." Rückschläge am Aktienmarkt sieht er eher als eine Möglichkeit, Aktienpositionen weiter aufzustocken.

Jasperneite erwartet auch, dass neue Käufergruppen an den Aktienmarkt strömen. "Versicherungen und Pensionskassen werden zunehmend aktiv werden, denn sie verhalten sich aufgrund ihrer Anlagevorschriften eher prozyklisch."

Die WGZ Bank, ein Spitzeninstitut der Genossenschaftsbanken, legt keine Kursziele fest, sondern ermittelt einen "fairen Wert" des DAX, der für 2011 bei 6600 Punkten liegt. "Mit dem fairen Wert erhält der Anleger einen guten Anhaltspunkt dafür, ob Aktien auf dem jeweils aktuellen Kursniveau eher günstig oder teuer sind", sagt Rolf Drees, Leiter Research der WGZ Bank. Unterhalb von 6600 Punkten ist der Einstieg in den Aktienmarkt also durchaus gerechtfertigt. Auch die niedrigen Zinsen sprechen für den Aktienmarkt. "Bundesanleihen bringen nur etwas mehr als zwei Prozent Rendite", sagt Drees.

Mit diesem Argument will auch die Deutsche Bank die Sparer für die Aktienanlage motivieren. "Wenn sich ein Anleger heute mit einer Verzinsung von einem Prozent auf dem Tagesgeldkonto zufriedengibt, nimmt er bei einer Inflationsprognose von 1,5 Prozent für 2010 einen Verlust von 0,5 Prozent im Jahr hin", sagt Ulrich Stephan, Chefinvestmentstratege der Deutschen Bank. Abgeltungssteuer und Solidaritätszuschlag sind dabei noch nicht berücksichtigt. "Eine vernünftige Beimischung renditestärkerer Anlageklassen, wie ausgewählte Aktien, kann das Ertragspotenzial des eigenen Depots deutlich verbessern, ohne es übermäßigen Risiken auszusetzen", sagt Stephan, der den DAX zum Jahresende bei 6600 bis 6900 Punkten sieht. "Auf Zwölfmonatssicht wird er auf über 7000 Punkte steigen." Er favorisiert auch Aktien aus der zweiten Reihe, also den MDAX oder SDAX. "Hier glänzen viele kleinere Unternehmensperlen mit exzellenten Produkten auf dem Weltmarkt."

Solche Unternehmen hat die Commerzbank mit GEA, Gildemeister, HHLA, Klöckner & Co., Krones, Salzgitter und SGL Group ausgemacht. Die Bank erwartet, dass die Gewinne wesentlich besser ausfallen als prognostiziert. Bisher haben die Unternehmen von Kosteneinsparungen profitiert, jetzt werden die steigenden Gewinne von anziehenden Umsätzen getragen. "Der DAX hat bisher nicht darauf reagiert, dass sich viele Daten wie Unternehmensgewinne oder Auftragseingänge verbessert haben", sagt Aktienstratege Andreas Hürkamp von der Commerzbank. Das Institut sieht den DAX zum Jahresende bei 6900 Punkten.

Staatsverschuldung und US-Konjunktur könnten für Rückschlag sorgen

"Vor allem die deutschen Gesellschaften profitieren von der anhaltend hohen Nachfrage, insbesondere aus den Schwellenländern", sagt Jochen Intelmann, Chefvolkswirt der Hamburger Sparkasse. Sie hält an ihrem Kursziel für das Jahresende von 6500 bis 7000 Punkten fest. Zu den von der Haspa favorisierten Werten gehören das DAX-Schwergewicht Siemens und Nokia.

Bei allem Optimismus gibt es auch Risiken, die immer wieder für Rückschläge am Aktienmarkt sorgen können. "Die erforderliche Konsolidierung in den südeuropäischen Ländern dämpft dort auch die Nachfrage nach deutschen Gütern", sagt Drees.

"Das Problem der ausufernden Staatsverschuldung in Europa wird im Moment komplett verdrängt", sagt Jasperneite. "Wenn die Sparprogramme nicht den gewünschten Erfolg haben, kann das den DAX schnell mal um 400 Punkte drücken." Das zweite große Risiko sind die USA. "Wenn die Wachstumsdelle in den USA größer ausfällt als gedacht, schafft es der DAX nicht, dagegen anzugehen", sagt Hürkamp. "Eine weitere Lockerung der Geldpolitik in den USA beflügelt eher die Aktien- und Rohstoffmärkte", sagt Intelmann. Außerdem hat der Anteil der USA an der weltweiten Wirtschaftsleistung in den vergangenen 50 Jahren von 50 auf 25 Prozent abgenommen. Dagegen liegt der Anteil der aufstrebenden Länder in Asien und Lateinamerika inzwischen bei 25 bis 30 Prozent. Solange es dort ein hohes Wachstum gibt, profitieren davon auch die deutschen Exportwerte.