Viele Supermärkte locken mit zahlreichen Rabatten. Unterm Strich gibt es aber bei vielen Produkten Preiserhöhungen.

Hamburg. Es ist ein wahres Trommelfeuer an Versprechungen, das die großen deutschen Lebensmittelketten in dieser Woche auf den Verbraucher abfeuern. "Dauerhaft billiger!" heißt es bei Lidl, "Preissturz!" titelt Penny und auch Edeka verspricht, dass es die beworbenen Produkte der eigenen Preiseinstiegsmarke nirgendwo billiger gibt. Schinken, Sonnenblumenmargarine, Toilettenpapier - alles scheint günstiger zu werden.

Insgesamt neun dieser Preissenkungsrunden hat der Lebensmittelhandel in diesem Jahr bereits hinter sich. Doch wer die Versprechen der Unternehmen mit der allgemeinen Teuerungsrate bei Nahrungsmitteln abgleicht, bemerkt eine Diskrepanz. "Die Supermärkte wollen dem Verbraucher im harten Konkurrenzkampf suggerieren, dass sie besonders preisgünstig sind", sagt die Lebensmittelexpertin Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Tatsächlich aber sind viele Produkte im Jahresvergleich teurer geworden."

Grundsätzlich sind es in allen Märkten oft die gleichen Produkte, die günstiger angeboten werden. So hatte Aldi Nord Ende vergangener Woche beispielsweise den Preis für eine Dose Mandarinen von 55 auf 49 Cent gesenkt. Exakt dieselbe Preisentwicklung findet sich in dieser Woche nun bei Lidl oder Edeka, nur dass die Marken hier nicht Trader Joe's, sondern Harvin oder Gut & Günstig heißen. Das gleiche Vorgehen lässt sich für Koch-Hinterschinken, ein Kilo Zucker oder Steinofenpizza nachvollziehen.

Obst, Gemüse, Fisch und Butter sind deutlich teurer geworden

Dabei sind es längst nicht mehr nur die großen Billigketten Aldi, Lidl, Penny und Netto, die sich an den großen Preisrunden beteiligen. Auch die Supermärkte von Rewe, Edeka und Real mischen mittlerweile kräftig mit. So hat Marktführer Edeka mit der Marke Gut & Günstig rund 1000 Produkte im Sortiment, die sich am Preisniveau der Discounter orientieren.

Bei Rewe werden entsprechend rund 500 Artikel unter der Marke Ja! verkauft. "Wegen des hohen Konkurrenzdrucks kann es sich heute kaum noch ein Unternehmen leisten, sich nicht mit an dem Preisniveau zu orientieren, das Aldi vorgibt", sagt Verbraucherschützerin Schwartau.

Was die Lebensmittelketten verschweigen ist die Tatsache, dass die Preissenkungen bei einigen wenigen Produkten mit Preiserhöhungen an anderer Stelle finanziert werden. So sind die Preise für Nahrungsmittel insgesamt im September gegenüber dem Vorjahresmonat um drei Prozent gestiegen. Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes mussten die Bürger für Obst, Gemüse und frischen Fisch sehr viel tiefer in die Tasche greifen als noch vor einem Jahr. Hier lag der Anstieg bei satten 13,5 Prozent. Einzelne Produkte wie Kopfsalat wurden sogar um fast 80 Prozent teurer. Auffällig waren auch die Preissprünge bei Butter (plus 42 Prozent), Blumenkohl (plus 40 Prozent), Zitronen (plus 36,3 Prozent) und Apfelsinen (plus 20 Prozent). Wirklich günstiger wurden allenfalls Mehl oder Schnittkäse.

Längst hat sich die Preisentwicklung im Lebensmittelhandel auch von der Situation auf den Rohstoffmärkten abgekoppelt. Bei Saisonprodukten wie Gemüse besteht diese zwar noch. "In der aktuellen Preisrunde können wir aber keinen Zusammenhang mit der Situation auf den Beschaffungsmärkten feststellen", sagte ein Sprecher der Agrarmarkt Informationsgesellschaft. So stünden zwar Fleischprodukte scheinbar im Fokus der Preissenkungen für Verbraucher, doch die Erzeugerpreise etwa für Schweinefleisch seien seit vier Wochen stabil. "Von einem Überangebot an Fleisch, das die Preise drücken könnte, kann keine Rede sein." Aus Sicht der Verbraucherschützer dienen die Angebote vor allem dazu, die Kunden in die Supermärkte zu locken. "Die Verbraucher sollten darauf achten, dass sie sich beim Einkauf dann nicht doch zum Kauf der teureren Waren verführen lassen", rät Expertin Schwartau.