Drastische Preissteigerungen, Ausfuhrbeschränkungen und Versorgungsengpässe machen Unternehmen zu schaffen.

Hamburg. Die Diebe kamen in der Morgendämmerung: Unbekannte kappten Mitte Juni in Brandenburg Teile der Oberleitung auf der ICE-Strecke Hannover-Berlin und legten die wichtige Bahnverbindung damit stundenlang lahm. Die Täter waren an dem Kupfer in den Kabeln interessiert. Immerhin rund 8000 Euro war die Beute wert. Die Bundespolizei zählte allein in der ersten Jahreshälfte 1267 Diebstähle an den Gleisanlagen.

Was Geldanleger freut, wird für die Bahn und vor allem für die deutsche Wirtschaft zu einem immer größeren Problem: Die Preise von Metallrohstoffen steigen in diesem Jahr rasant an. Dabei erklimmt nicht nur der Goldpreis immer neue Höchststände. Die Silbernotierungen sind allein in der zurückliegenden Woche um mehr als zehn Prozent gestiegen, das Industriemetall Kupfer hat sich auf Jahressicht um gut ein Drittel verteuert.

Diese stürmische Entwicklung kann den Aufschwung hemmen: "Die Preise verschiedener Metalle sind sehr stark gestiegen, aber die Unternehmen haben es wegen des harten Wettbewerbs schwer, die höheren Kosten an die Kunden weiterzugeben", sagt Thorsten Proettel, Rohstoffexperte der Landesbank Baden-Württemberg.

Doch während Kupfer, Aluminium oder das für die Herstellung von Autokatalysatoren wichtige Palladium zwar immer teurer werden, auf dem Weltmarkt aber problemlos erhältlich sind, zeichnen sich für andere Industrierohstoffe kritische Verhältnisse ab. Den Firmen drohe eine "Rohstofflücke", warnt Werner Schnappauf, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).

Insbesondere "große Schwellenländer" seien im Begriff, systematisch Lagerstätten in anderen Staaten aufzukaufen, um die zukünftige Rohstoffversorgung abzusichern, heißt es in dem Bericht. Experten wissen, wer gemeint ist. "China sichert sich seit Jahren den Zugang zu Förderkapazitäten unter anderem in Afrika", sagt Daniel Briesemann, Fachanalyst bei der Commerzbank. "Viele andere Länder haben das regelrecht verschlafen - die Quittung kommt demnächst." Teils hätten sich die Firmen gescheut, in politisch instabilen Regionen tätig zu werden, teils hätten die jeweiligen Regierungen es nicht zugelassen, sich in Ländern mit undemokratischen Regimen zu engagieren. China hat solche Vorbehalte offenbar nicht.

Die Asiaten hätten die Schwächephase Deutschlands und der Europäer mit der Krise zielstrebig genutzt, um die Weltmarktposition auszubauen, sagte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Klaus Mangold. China sei - wie zuvor in Afrika - nun mit Staatsgeld in Kasachstan oder Usbekistan unterwegs, um sich mit strategisch wichtigen Rohstoffen einzudecken. Dafür biete Peking langfristige Finanzierungen "quasi zum Nulltarif". Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat das Problem aufgegriffen. Angesichts des zielstrebigen Vorgehens etwa von China müssten sich die Industrieländer und damit Deutschland dringend mehr Gedanken um die langfristige Absicherung ihrer Versorgung mit Rohstoffen machen, sagte sie: "Hier müssen Wirtschaft und Politik noch enger und mehr miteinander sprechen." Allerdings ist Chinas Rohstoffhunger enorm. "Bei Aluminium hat der Anteil des Landes am weltweiten Verbrauch in den vergangenen zehn Jahren von 14 Prozent auf rund 40 Prozent zugelegt", sagt Proettel. Ganz ähnliche Zahlen gelten für Kupfer.

Doch China ist nicht nur ein sehr bedeutender Verbraucher, sondern bei einigen Industrierohstoffen selbst ein wichtiger Produzent. Nach eigenen Angaben ist das Riesenreich bei zwölf Bodenschätzen das weltweit führende Förderland, etwa bei Titan, dem für die Herstellung von Computerchips wichtigen Antimon oder bei den sogenannten Seltenen Erden.

Diese Metalle mit so exotischen Namen wie Praseodym, Gadolinium oder Ytterbium finden sich zum Beispiel im iPod von Apple, in Lasergeräten und in Plasmabildschirmen. "Seltene Erden werden für die Produktion nur in kleinsten Mengen benötigt, aber sie sind für sehr viele Hightech-Produkte praktisch unverzichtbar", sagt Carsten Rolle Leiter der Abteilung Energie und Rohstoffe beim BDI. China liefert 97 Prozent der Weltproduktion dieser Seltenen Erden - und spielt nun seine Marktmacht aus. "China hat den Export im Juni um 40 Prozent reduziert", erklärt Rolle. "In der Folge sind die Preise einiger dieser Substanzen um den Faktor drei, fünf oder gar sieben gestiegen. In ersten Unternehmen kommt es zu echten Verfügbarkeitsproblemen."

Damit ist auch die Politik gefragt, meint Rolle: "Man wird sich auch auf der Ebene internationaler Gremien wie der G8 oder der G20 damit beschäftigen müssen, wie ein fairer Zugang zu Rohstoffen gesichert werden kann."