Umlage steigt um 70 Prozent. Mehrkosten von 112 Euro für eine Durchschnittsfamilie

Hamburg. Alle deutschen Haushalte müssen im kommenden Jahr deutlich mehr für den Strom bezahlen. Grund ist eine massive Erhöhung der Pflichtabgabe für den Ausbau erneuerbarer Energien. Sie soll, wie gestern bekannt wurde, von jetzt gut zwei Cent pro verbrauchter Kilowattstunde Strom auf 3,5 Cent steigen - eine Erhöhung um 70 Prozent. Nach Angaben des Verbraucherportals Toptarif.de kann das für eine Durchschnittsfamilie Strom-Mehrkosten von bis zu 112 Euro pro Jahr oder knapp zehn Euro pro Monat mit sich bringen. Denn die meisten Versorger werden die staatlich verordnete Preiserhöhung ganz oder teilweise an ihre Kunden weitergeben.

Strom aus Sonnenenergie, Wasserkraft oder Wind wird laut dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Deutschland seit dem Jahr 2000 gefördert. Doch die Subventionen fließen nicht über Steuergelder. Vielmehr berechnen die vier großen Netzbetreiber jedes Jahr die Kosten neu, die die nicht wettbewerbsfähigen Öko-Energien verursachen, und legen sie auf die Verbraucher um. Hauptgrund für den jetzigen deutlichen Anstieg dieser EEG-Umlage ist der Boom der Solarenergie. "Zu Beginn der Förderung war es richtig, Erbauern von Anlagen eine 20 Jahre andauernde Vergütung für jede produzierte Kilowattstunde Strom zu garantieren. Ohne diese Unterstützung wären die erneuerbaren Energien nicht so gut vorangekommen wie jetzt", sagte Pieter Wasmuth, Vattenfall-Chef von Hamburg, im Abendblatt-Interview. "Aber inzwischen birgt die 20-jährige Garantie eine Gefahr. Denn mit zunehmenden Erzeugungskapazitäten baut sich eine irrsinnige Welle an Kosten auf, die auf uns (die gesamte Gesellschaft, d. Red.) zurollt."

"Die Industrie am Standort Hamburg kann keine weitere politisch bedingte Erhöhung der Strompreise tragen", warnt Hans-Theodor Kutsch, Vorsitzender des Industrieverbandes Hamburg. Der Energieexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Holger Krawinkel, kritisierte, auf die Sonnenenergie entfalle inzwischen weit über die Hälfte der Subventionen. Dabei produziere sie nicht einmal 20 Prozent des geförderten Stroms. Wasmuth rät deshalb, das EEG-Gesetz so anzupassen, dass nur noch jene Kilowattstunden Ökostrom gefördert werden, die auch tatsächlich ins Stromnetz gelangen. Derzeit fließt der Strom aus erneuerbaren Energien dafür zu unregelmäßig. "Heute wird mehr Strom produziert, als ins Netz gelangen kann", sagt Wasmuth.

Andree Böhling, Energieexperte von Greenpeace, kontert: "Das deutsche EEG-Gesetz ist die weltweit erfolgreichste Fördermaßnahme für erneuerbare Energien." Im Vergleich zur staatlichen Subvention von konventionell erzeugtem Strom sei der Öko-Beitrag derzeit nur bescheiden. "Allein in die Atomenergie sind in den vergangenen Jahren mehr als 200 Milliarden Euro an Fördermitteln geflossen. Hinzu kommen weitere staatliche Hilfen für die Kohlekraftwerke."

Böhling erwartet, dass die EEG-Abgabe in den nächsten Jahren noch leicht steigt, dann aber sinkt, weil die erneuerbaren Energien die Hilfen nicht mehr benötigen: "Ich vermute, dass die Abgabe den Grenzwert von vier Cent je Kilowattstunde nicht überschreiten wird." Das sieht Verbraucherschützer Krawinkel anders. Er fürchtet, dass die Öko-Abgabe bald bei fünf Cent liegt.