Schuldenkrise und Wirtschaftsschwäche seien Schuld am Ungleichgewicht in der Welt. IWF soll Politik stärker kontrollieren

Washington. Im Konflikt um die Ursachen der unausgeglichenen Weltwirtschaft haben die Schwellenländer einen Sieg über die Industriestaaten errungen. Unter chinesischer Führung setzten sie am Wochenende im Internationalen Währungsfonds (IWF) eine schärfere Kontrolle der Wirtschaftspolitik reicherer Länder wie der USA und europäischer Staaten durch.

China gelang es damit zugleich, den Spieß auch im Währungsstreit umzukehren: Die schwache Finanzkraft und das schleppende Wachstum in den USA seien ein Hauptgrund für das weltwirtschaftliche Ungleichgewicht, das durch den geldpolitisch verbilligten Dollar verstärkt werde, betonte der chinesische Notenbankchef Zhou Xiaochuan am Sonnabend und gab damit den Ton für das Abschlusskommuniqué vor.

"Eine strengere und gleichmäßigere Überwachung der Anfälligkeiten großer fortgeschrittener Volkswirtschaften ist eine Priorität", hieß es in der Erklärung des Lenkungsausschusses zum Abschluss der IWF-Jahrestagung. Wie dies konkret umgesetzt werden soll, blieb in der Erklärung aber offen. Schwellenländer wie China, aber auch Brasilien und Indien klagen seit Langem darüber, dass der von den USA und anderen Industriestaaten dominierte Fonds nicht hart genug auf wirtschaftspolitische Fehler seiner Hauptanteilseigner reagiert. Die Finanzkrise und die derzeitige Abhängigkeit der Weltwirtschaft von wachstumsstarken Schwellenländern haben allerdings das Gewicht der Industriestaaten geschwächt.

Das immer selbstbewusster werdende China knöpfte sich denn auch die USA vor und kehrte die internationalen Vorwürfe an seine eigene Währungspolitik gegen die größte Volkswirtschaft und ihre Partner in Europa: Nicht der eigene Handelsüberschuss, sondern die rekordniedrigen Zinsen und unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen in Staaten der wichtigsten Reservewährungen verursachten die Ungleichgewichte zwischen den Volkswirtschaften, erklärte der Notenbankchef.

IWF dürfte auch mehr Einfluss auf den Yuan erhalten

"Die gegenwärtig größten grundlegenden Probleme sind die langsamen Fortschritte der Industriestaaten bei der Reform ihrer Finanzsysteme und die anhaltende Abhängigkeit ihrer Finanzbranchen von staatlicher Unterstützung", erklärte Zhou. Zugleich warnte er vor einer Ausweitung der im Frühjahr hochgekochten Schuldenkrise in den Euro-Staaten: Angesichts des enormen Umfangs staatlicher Anleihen, die in diesem und dem kommenden Jahr fällig würden, sowie der Haushaltsdefizite in den Industriestaaten, sei damit jederzeit zu rechnen.

Wegen dieser Spannungen erzielte der Währungsfonds keine Einigung im konkreten Streit um ausgeglichenere Wechselkurse und damit verknüpfte Handelsvorteile. In einem Zugeständnis an die USA forderten die Mitglieder die Fondsführung auf, offensiver wirtschaftspolitischen Rat zu erteilen. Damit dürfte der IWF mehr Spielraum in der Diskussion um den chinesischen Yuan erhalten, der aus Sicht der Industriestaaten künstlich unterbewertet ist und der Volksrepublik Vorteile auf dem Weltmarkt verschafft.

Trotz vermehrter Forderungen kündigte der Fonds aber keine Initiative an, wie die Staaten in der Frage zu mehr Abstimmung kommen sollen. Anders als Deutschland setzte sich Frankreich an die Spitze der Verfechter grundlegender Reformen des Weltwährungssystems. Die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde unterstützte einen IWF-Vorschlag für ein neues Dialogforum und setzte sich für die Schaffung von Instrumenten zum Schutz vor Liquiditätskrisen ein.

Mit ihrem Vorschlag, bei der Neuordnung den IWF-Sonderziehungsrechten - einer Kunstwährung - eine größere Rolle zu geben, blitzte Lagarde beim deutschen Nachbarn ab: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warnte vor zu scharfen regulatorischen Eingriffen und verteidigte ein "marktgetriebenes System".