Vertrauliche Dokumente auf Google-Servern? Bürosoftware vom weltgrößten Internetkonzern? Der Trend zwischen Web- und Arbeitswelt setzt sich durch.

Hamburg. Wenn Christian Tiedemann morgens den Computer in seinem Büro in der HafenCity anwirft, dann findet er darauf Dokumente, die sich auf den ersten Blick kaum von denen in anderen Werbeagenturen unterscheiden. Mit ein paar Klicks verschafft sich der Finanzvorstand von Scholz & Friends einen Überblick über die Kampagnen der Agentur, oder er schaut sich im elektronischen Kalender die Termine an, die an diesem Tag anstehen.

Der Unterschied zu anderen Unternehmen besteht allerdings darin, dass sich die Dokumente, auf die der Vorstand in Hamburg zugreift, überhaupt nicht auf seinem Rechner befinden. Sie lagern vielmehr auf Servern des Internetriesen Google , irgendwo auf der Welt, wo exakt, weiß auch Tiedemann nicht so genau. Der Werber blickt bei der Arbeit in eine "Cloud", eine Datenwolke, auf die alle Mitarbeiter von Scholz & Friends an allen Standorten des Unternehmens zur gleichen Zeit Zugriff haben.

Programme lassen sich direkt aus der Datenwolke abrufen

Scholz & Friends gehört zu den ersten größeren Unternehmen in der Hansestadt, die ihre Arbeitsweise auf das sogenannte Cloud Computing umgestellt haben. Geht es nach Branchenriesen wie Google, Microsoft oder Apple , dann wird dieses Verfahren die nächste Revolution in der Computerwelt auslösen. Texte, Musikbibliotheken oder Filme werden künftig nicht mehr lokal auf einzelnen Rechnern, sondern auf den Servern großer Internetkonzerne gespeichert. Probleme mit zu kleinen Festplatten gehören damit weitgehend der Vergangenheit an. Doch damit nicht genug: Auch das Installieren von Bürosoftware, Grafikprogrammen oder auch Spielen über CDs und DVDs ist in Zukunft passé. Stattdessen rufen sich die Nutzer die Programme, die sie benötigen, direkt aus der Datenwolke ab.

Für eine dezentral organisierte Werbeagentur wie Scholz & Friends hat Cloud Computing erhebliche Vorteile: "Die Experten eines größeren Projekts können alle gleichzeitig auf das gleiche Dokument zugreifen, unabhängig davon, wo sie in Deutschland oder im Ausland sitzen", sagt Tiedemann. "Jeder hat beispielsweise immer die aktuellste Version einer Kalkulation auf dem Schirm." Bei Bedarf könne die Agentur auch Kunden geschützten Zugang zu ihren Dokumenten gewähren. "Unsere Kunden können sich dann in Echtzeit in Abstimmungsprozesse oder die Entwicklung einer Kampagne integrieren", so Tiedemann. "Das spart Zeit und vermindert Reibungsverluste."

Für ihre Arbeit in der Datenwolke greifen die Hamburger Werber auf ein Angebot des Internetriesen Google zurück. Der Suchmaschinenbetreiber gehört zu den Pionieren der neuen Technik und bietet mit seinen Google Apps eine Büroausstattung vom E-Mail-Programm über einen elektronischen Kalender, Textverarbeitung und Tabellenkalkulation bis hin zu einem Programm für Videokonferenzen an. "Mehr als zwei Millionen Unternehmen und 25 Millionen Internetnutzer setzen bereits Google Apps ein", sagt ein Sprecher von Google Deutschland. Für Privatanwender ist die Nutzung der Programme kostenlos, für Firmen fällt hingegen eine Gebühr von 40 Euro pro Jahr und Nutzer an.

Mit der eigenen Bürosoftware aus der Datenwolke dringt Google auf ein Gebiet vor, das bislang von dem US-Rivalen Microsoft und seiner Officesuite dominiert wurde. Der hat den Trend zum Cloud Computing weitgehend verschlafen und müht sich nun, verlorenes Terrain wieder gutzumachen. "Wir haben in den vergangenen Jahren mehr als eine Milliarde Dollar für Cloud Computing investiert und werden uns künftig ganz darauf konzentrieren", sagte Microsoft-Chef Steve Ballmer. Von 2012 an würden mehr als 90 Prozent der Microsoft-Entwickler an Anwendungen und Technologien für das Cloud Computing arbeiten. Weitere Pläne des Konzerns will Ballmer heute auf einem Kongress des IT-Branchenverbands Bitkom präsentieren.

Hartnäckig halten sich auch Gerüchte, dass der Computerhersteller Apple daran arbeitet, seinen Onlinemusikladen iTunes um ein Cloud-Angebot zu erweitern. Musikfans würden ihre Lieblingsalben dann auf eine virtuelle Festplatte bei Apple hochladen und bei Bedarf auf ihre Endgeräte streamen lassen. Der Vorteil: Die Musik stünde zeitgleich nicht nur auf dem Rechner, sondern auch auf einem iPhone, iPad oder iPod touch zur Verfügung. Die umständliche Synchronisierung der immer zahlreicher werdenden elektronischen Spielzeuge würde entfallen.

Viele Firmen sorgen sich noch um die Sicherheit ihrer Daten

Was in Deutschland den Trend zur Arbeit in der Datenwolke noch ausbremst, ist das Misstrauen vieler Unternehmen gegenüber Fremdfirmen, die ihre vertraulichen Unterlagen auf Servern irgendwo auf der Welt ablegen. Auch bei Scholz & Friends gab es anfangs entsprechende Bedenken. "Nach detaillierter Prüfung über die Datensicherheit bei Google sind wir jedoch der Meinung, dass sich unser Sicherheitsstandard eher noch erhöht hat", sagt Tiedemann. So würden auf einzelnen Servern immer nur Teile eines Dokuments abgelegt, was einen Angriff von Hackern erschwere. Zudem seien beim Verlust eines Laptops nicht auch gleich die wertvollen Dokumente verloren.

Trotz aller Begeisterung für die Datenwolke setzen allerdings auch die Hamburger Werber noch nicht komplett auf die Technik. "Nicht alle Daten müssen automatisch in die Cloud", sagt Tiedemann. "Unsere Originalverträge haben wir immer noch auf Papier."