Bürger geben deutlich weniger für Konzerte und Theater aus. Hamburgs Musical-Boom trotzt dem Trend

Hamburg. Sie ist die Pop-Sensation der vergangenen Monate. Ikone für die einen, Provokateurin für die anderen - und ein Phänomen der Musikgeschichte wie einst die Beatles oder Madonna. Statistisch gesehen hat sich bereits ein Fünftel der Weltbevölkerung die Musikvideos von Lady Gaga angesehen - dementsprechend begehrt sind auch die Livekonzerte der 24-jährigen Amerikanerin. Theoretisch zumindest. Praktisch sah das erst vor einigen Wochen ganz anders aus.

Wegen der hohen Eintrittspreise bleiben oft viele Plätze unbesetzt

Als Lady Gaga im Mai 2010 nämlich in der Hamburger O2-World auftrat, sah sie nicht nur auf begeisterte Fangesichter, sondern vor allem auch auf eines: leere Ränge. 12 000 Karten standen zum Verkauf, 4000 allerdings blieben an den Kassen liegen. Preise von 60 bis 100 Euro sind schlichtweg zu hoch für das Portemonnaie eines Durchschnittsteenagers. Das besagte Lady-Gaga-Konzert ist jedoch kein Einzelfall. Bei dem einzigen Deutschland-Konzert von Prince auf der Berliner Waldbühne im Juli blieben sogar 7000 Tickets unverkauft. Auch hier lag der Kartenpreis zwischen 61 und 154 Euro.

Im Vorjahr, also 2009, wurden insgesamt 106,4 Millionen Veranstaltungstickets verkauft. Ein Jahr zuvor waren es noch 118,7 Millionen - der Rückgang beträgt somit zehn Prozent. Noch schlechter hat sich der Umsatz entwickelt: Rund 3,17 Milliarden Euro gaben die Deutschen für den Besuch von Veranstaltungen aus und damit zwölf Prozent weniger als noch 2008, wie eine GfK-Umfrage im Auftrag des Bundesverbandes der Veranstaltungswirtschaft (bdv) ergab. "Bis 2007 ist der Veranstaltungsmarkt jedes Jahr gewachsen", sagte Verbandspräsident Jens Michow. Wegen der Wirtschaftskrise seien die Konsumenten jedoch auch bei ihren Ausgaben im Freizeitbereich sparsamer geworden. Zweiter wichtiger Punkt seien aber die Ticketpreise. "Eine Eintrittskarte kostete durchschnittlich 29,83 Euro", sagte Michow. Jedoch gebe es starke Unterschiede zwischen den jeweiligen Veranstaltungsarten. Vor allem die Forderungen der internationalen Top-Stars würden stetig wachsen. "Weiter steigende Eintrittspreise kann der Markt keinesfalls verkraften", so Michow.

Fast jeder vierte Euro wird für Musicalbesuche ausgegeben

Nichtsdestotrotz ist und bleibt das Live-Entertainment ein Milliardengeschäft. 2,27 Milliarden Euro entfielen 2009 auf Musikevents, 907 Millionen Euro auf Veranstaltungen wie Kabarett, Comedy, Theater oder Zirkus (siehe Grafik). Nur für Bücher geben die Deutschen mit rund 3,9 Milliarden Euro noch mehr Geld aus. Bei den Musikveranstaltungen stehen die Musicals mit einem Anteil von 24 Prozent am Gesamtumsatz an der Spitze, danach folgen klassische Konzerte und Festivals. Bei den Nichtmusikveranstaltungen stehen Theater, Schauspiel und Lesungen ganz oben.

Für die Situation in Hamburg hat Verbandspräsident Michow die Sorge, dass die Situation der privaten Veranstalter durch die Elbphilharmonie verschärft werden könnte: "Wenn die öffentliche Hand die Konzerte dort mitfinanziert, ist das für uns eine klare Konkurrenz und damit ein Problem." Insgesamt sei der Markt in der Hansestadt jedoch gut aufgestellt. "Hamburg rangiert unter den ersten drei der deutschen Konzertstädte und ist zudem Musicalhauptstadt", so Michow. Das Musical "Der König der Löwen", das direkt an der Elbe aufgeführt wird, war 2009 das erfolgreichste in Deutschland.

Mit 59 Euro waren Musicaltickets im Jahr 2009 die im Durchschnitt teuersten Eintrittskarten zu einer Musikveranstaltung. Für den deutschen Schlager wurde im Schnitt 41 Euro gezahlt, für Hip-Hop-Konzerte rund 29 Euro. Auffällig ist, dass die Preise trotz der hohen Ausreißer durch die internationalen Superstars durchschnittlich sogar die letzten drei Jahre stagnierten.

Auch künftig würden hier keine größeren Schwankungen erwartet, so Michow. "Allerdings wird es von den Superstars deutlich weniger Konzerte als früher in Deutschland geben", so der Verbandspräsident. Wegen des immer größeren Aufwands der Shows würden diese künftig nur noch in den Metropolen der Bundesrepublik stattfinden, bei denen die Nachfrage auch hoch genug ist. "Der Fan muss zum Konzertbesuch seines Stars mehr reisen als früher."

Für 2010 erwartet der Verband der Veranstaltungswirtschaft trotz des derzeitigen Einbruchs eine Stabilisierung des Marktes. "Ein Großteil der Besucher von Musikveranstaltungen will in diesem Jahr auf ähnlich viele Konzerte gehen", so Michow. 13 Prozent wollen sogar häufiger gehen, neun Prozent dagegen ihre Konzertbesuche reduzieren. Ein Viertel der Befragten nennt dabei den Ticketpreis als Grund, fast der Hälfte fehlt jedoch schlichtweg die Zeit. Bei den Rahmenbedingungen der Veranstaltungen setzten die Besucher auf eine gute Klangqualität und einen pünktlichen Veranstaltungsbeginn. An allererster Stelle lag mit einem Zuspruch von 90 Prozent jedoch etwas ganz anderes: die Sauberkeit der Klos.