Aus überschüssigem Strom lässt sich der begehrte Rohstoff und Energieträger erzeugen

Hamburg. Wenn es an der Küste ordentlich weht, können Schleswig-Holsteins Windrotoren bis zu 20 Prozent mehr Strom erzeugen, als das bestehende Netz aufnehmen kann. Um es nicht zu überlasten, bleibt der Windkraftüberschuss ungenutzt. Das soll sich ändern, fordert die Wasserstoff-Gesellschaft Hamburg. Zusammen mit den Ländern Schleswig-Holstein und Hamburg ließ sie das Potenzial der Wasserstoffproduktion aus Windstrom untersuchen. Fazit: Die Metropolregion Hamburg ist ideal geeignet für die Nutzung des Überschussstroms.

In Norddeutschland weht nicht nur viel Wind. "In keiner anderen Region in Deutschland wird so viel Wasserstoff verbraucht", betonte Jochen Wilkens vom Verband der Chemischen Industrie gestern bei der Präsentation der Studie. Große Stahl- und Chemiewerke setzen Wasserstoff als Rohstoff ein. Derzeit wird er zum großen Teil aus Erdgas und anderen Kohlenwasserstoffen (Schweröl, Benzin, Ethylen) gewonnen. Im Jahr 2020, so rechnen die Experten der Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH (LBST) in der Studie vor, könnte der gesamte großindustrielle Jahresbedarf der Region von 263 Millionen Kubikmeter (m{+3}) über die Elektrolyse von Wasser mit Windstrom erzeugt werden. Sie kalkulieren zudem damit, dass in diesem Jahrzehnt die Wasserstofffahrzeuge ins Rollen kommen werden. Auch ihr zukünftiger Bedarf (44 Millionen m{+3}) Wasserstoff kann per überschüssigen Küstenstrom erzeugt werden - der Überschussstrom hat laut Studie sogar das Potenzial, jährlich 320 Millionen Kubikmeter Wasserstoff zu liefern.

Der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur erfordert demnach Investitionen von 600 Millionen Euro, hauptsächlich zum Bau der großindustriellen Elektrolyseanlagen. Auch bei der Lagerung haben Hamburg und Schleswig-Holstein einen Standortvorteil, sagte Uwe Albrecht, Geschäftsführer der LBST: "Die vorhandenen Salzkavernen eignen sich sehr gut zur Lagerung des gasförmigen Wasserstoffs. Diese unterscheidet sich kaum von der Erdgasspeicherung." Der Transport zu den Kunden könne per Pipeline, Schiff oder Lkw erfolgen.

Noch sei Wasserstoff aus Windkraft etwa doppelt so teuer wie konventionell erzeugter Wasserstoff, betonte Heinrich Klingenberg, Geschäftsführer der hySolutions GmbH, die in Hamburg Wasserstoffprojekte vorantreibt. "Verglichen mit den Kosten von anderen neuen Technologien, ist der Abstand gar nicht so groß."