EuGH-Urteil zu Sportwetten beflügelt Aktien der Privatanbieter

Hamburg. Hans Cornehl musste die Mitteilung des Europäischen Gerichtshofs gestern zweimal lesen: "Ich hätte eine Entscheidung mit solcher Tragweite so früh nicht erwartet", sagte der Chef des Hamburger Lotterievermittlers Tipp24 gestern dem Abendblatt. Das Unternehmen wird nun sein Geschäft zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren komplett umkrempeln.

Hintergrund: Der EuGH hat mit seiner Entscheidung das in Deutschland geltende staatliche Monopol bei Glücksspielen gekippt. Die Regelung über Sportwetten sei eine Beschränkung des Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Union. Die EU-Richter entlarvten dabei nicht nur die deutsche Gesetzgebung als nicht haltbar. Zudem dürften der Profisport und die privaten Wettanbieter die Gewinner sein - deren Aktien legten massiv zu.

Unternehmen prüfen Rückverlegung des Geschäfts nach Deutschland

Das Hin und Her in der deutschen Lotto-Gesetzgebung hatte in der Branche der privaten Glücksspielvermittler mit Unternehmen wie Jaxx oder bwin, besonders aber auch bei Tipp24 zu einem bizarren Richtungswechsel geführt: Anfang 2009 hatte die Firma in der Hansestadt 139 Beschäftigte entlassen und ihr Geschäft im Ausland aufgebaut, "weil uns der Gesetzgeber ein Berufsverbot auferlegt hat", sagte Cornehl über die damalige Entscheidung der Länder. Jetzt will das Unternehmen in den nächsten Jahren die Mannschaft wieder auf die alte Stärke aufstocken. "Wir gehen davon aus, dass wir unser Geschäft der Vermittlung staatlicher Lotterien in Deutschland, wie wir es erfolgreich bis Ende 2008 betrieben haben, in naher Zukunft wieder aufnehmen können", sagte Cornehl. Das Comeback von Tipp24 hat nicht nur Auswirkungen auf den Hamburger Arbeitsmarkt. Seit seiner Gründung in Hamburg 1999 hatte das Unternehmen als einer der größten deutschen Lotterievermittler im Internet nach eigenen Angaben rund 1,5 Milliarden Euro Lotterieumsätze an die Bundesländer vermittelt. Allein nach Hamburg wurden dabei 180 Millionen Euro überwiesen.

Seit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags 2008 galt in Deutschland dann aber das Monopol staatlicher Anbieter. Private Wettanbieter waren verboten. Nur beim staatlichen Unternehmen Oddset durfte legal auf die Fußball-Bundesliga, Weltmeisterschaften oder die Formel 1 gesetzt werden. Dagegen hatten mehrere kleine Anbieter geklagt, vier deutsche Gerichte wandten sich daraufhin mit der Frage an den EuGH.

Bekämpfung von Spielsucht wurde nicht glaubwürdig betrieben

Der Hintergrund des Monopols sind die Milliardeneinnahmen aus Glücksspielen, die in die Staatskasse fließen. Der Gesetzgeber hatte das Verbot der Konkurrenz mit der Bekämpfung von Spielsucht und Manipulation begründet. Das EuGH hat nun festgestellt, dass Deutschland dieses eigentlich für eine Beschränkung des Markts zulässige Ziel durch zu viel Werbung für die Glücksspiele unterlaufe. Schließlich waren die Oddset-Einnahmen nach Ausschaltung der privaten Vermittler zuletzt stetig gesunken. Das EuGH-Urteil ist jedoch eine Vorabentscheidung. Die deutschen Gerichte müssen nun die Einzelfallentscheidungen treffen.