Produktion des A350 hat vor den Toren Hamburgs begonnen. Auch das Werk in Finkenwerder profitiert vom Flieger. Arbeitsplätze werden sicherer

Stade. Auf diesen Moment haben Tausende von Airbus-Beschäftigten jahrelang hingearbeitet: Eine computergesteuerte Maschine legt auf einem bühnenähnlichen Tisch hauchdünne Kunststoffschichten übereinander aus. So begann gestern in Stade die Fertigung des ersten deutschen Bauteils für den neuen Langstreckenjet A350. Die fast 32 Meter lange und sechs Meter tiefe Flügeloberschale ist das bisher größte Teil aus Kohlefaserwerkstoff (CFK), das bei Airbus gefertigt wird. In der mehr als vier Fußballfelder großen Halle sollen künftig bis zu 26 dieser je 2,6 Tonnen schweren Schalen im Monat entstehen.

Die nächsten drei Jahre bis zum geplanten Termin für die erste Auslieferung des A350 werden "ein Test für die Leistungsfähigkeit und die Lernfähigkeit von Airbus" sein, sagte Firmenchef Thomas Enders beim Produktionsstart des neuen Flugzeugs in Deutschland. "Diese drei Jahre sind die heiße Phase, in der wir zeigen müssen, dass wir aus früheren Fehlern gelernt haben", sagte Enders mit Blick auf die jahrelangen und mehrere Milliarden Euro teuren Programmverzögerungen beim Riesenjet A380.

Es sei jedoch nicht auszuschließen, dass "Herausforderungen auftreten, die wir vorher so nicht gesehen haben", räumte Enders ein. Der zweistrahlige A350 für 270 bis 350 Passagiere ist das erste Airbus-Flugzeug, bei dem Rumpf und Tragflächen aus Kohlefaserwerkstoff und nicht mehr aus Metall bestehen. Die Maschine soll unter anderem wegen der damit verbundenen Gewichtseinsparung rund 25 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen als heutige Langstreckenjets dieser Dimension.

Gerald Weber, Produktionsvorstand von Airbus und Vorsitzender der Geschäftsführung von Airbus in Deutschland, dankte der Bundesregierung und dem Land Niedersachsen für die Unterstützung beim Aufbau eines Forschungszentrums für CFK-Technologie vor den Toren des dortigen Werks: "Stade ist zu einem Modell für die Standortsicherung in der europäischen Industrie geworden." Heute sei Stade weltweit führend in der Erforschung und Verarbeitung dieser modernen Werkstoffe. Auf einzigartige Weise verbinde sich dort Forschung, betriebliche und universitäre Ausbildung mit der Industrie.

Die Regierungskoalition in Berlin wolle trotz der Sparzwänge ihr Luftfahrtforschungsprogramm nicht kürzen, sagte der parlamentarische Staatssekretär Peter Hintze, Luftfahrtkoordinator der Bundesregierung: "Dies ist für uns eine Schlüsselindustrie, von der wichtige Impulse für andere Branchen ausgehen."

Derzeit arbeiten im Airbus-Werk Stade 100 Personen an der Produktion von Komponenten für den A350, bei voller Produktionsrate im Jahr 2016 sollen es rund 500 sein. In Stade werden künftig Flügeloberschalen, Seitenleitwerke und Rumpfschalen für den neuen Jet hergestellt.

Für die nächsten Jahre rücke der A350 an die Spitze als das wichtigste Programm von Airbus, sagte Gerald Weber im Gespräch mit dem Abendblatt: "Der Jet ist der langfristige Nachfolger des sehr erfolgreichen A330 und damit ganz entscheidend für Airbus - auch finanziell gesehen: Die Entwicklung kostet rund zehn Milliarden Euro." Allein an den norddeutschen Standorten investiere das Unternehmen eine halbe Milliarde Euro in Stade und mehr als 150 Millionen Euro in Hamburg.

Auf Finkenwerder sowie in Büros in Bahrenfeld wird der gesamte Rumpf und die Kabine entwickelt, künftig werden außerdem Rumpfsektionen im Hamburger Werk produziert und an die Endmontagelinie in Toulouse geliefert.

Vieles sei getan worden, um nicht wieder ähnliche Probleme zu bekommen wie beim A380: "Wir arbeiten heute anders zusammen. Wir haben transnationale Teams, Entwicklung und Produktion sind besser verzahnt, es gibt einheitliche IT-Systeme und Abläufe." Zudem habe man über Ländergrenzen hinaus gemeinsame Entscheidungen gefällt: "Die CFK-Legemaschine, die wir hier sehen, steht genauso an drei oder vier Standorten in der Firma. Damit haben wir die Möglichkeit, untereinander Erfahrungen auszutauschen."

Weber erwartet, dass die Beschäftigtenzahl bei Airbus in Deutschland und in Hamburg in diesem Jahr etwa gleich bleiben wird: "Wir stellen 700 bisherige Leihkräfte fest ein und haben die Zahl der Zeitarbeiter zurückgefahren, auf der anderen Seite sind noch Verwaltungsstellen im Rahmen des Power-8-Programms weggefallen. Insgesamt halten wir an unserer Politik der Beschäftigungssicherung fest."