Mit dem Aufschwung sind die Preise für Altpapier massiv gestiegen. Der Rohstoff wird knapp. Chinesen kaufen in Europa ein.

Hamburg. Vor eineinhalb Jahren blickte Rüdiger Siechau noch voller Sorge in die Zukunft. Damals fürchtete der Chef der Stadtreinigung Hamburg und Vorstandsvorsitzende des Verbandes kommunale Abfallwirtschaft eine Unterdeckung von drei Millionen Euro im Jahr 2009, weil die Einnahmen der Stadtreinigung aus dem Verkauf von Altpapier rapide in den Keller gingen. Inzwischen hat sich die Situation gewandelt. Denn mit dem Anziehen der Konjunktur ist der Preis für den Rohstoff in die Höhe geschossen.

Kostete die Tonne im März 2009 noch durchschnittlich fünf bis zehn Euro, "so werden heute für 1000 Kilogramm schon wieder 70 bis 80 Euro bezahlt", sagt Reinhard Fiedler, Sprecher der Hamburger Stadtreinigung, dem Abendblatt . Dabei handelt es sich um einen Durchschnittspreis. Qualitativ hochwertige Sorten werden sogar wieder für mehr als 100 Euro pro Tonne gehandelt.

Die Chinesen kaufen den europäischen Markt leer

Weil die Wirtschaft kräftig wächst, wird mehr Verpackungsmaterial wie etwa Wellpappe benötigt - das ist nicht nur in Deutschland so, sondern weltweit. Vor allem chinesische Verarbeiter und Papierfabriken mit ihrem Hunger nach Rohstoffen kaufen derzeit den europäischen Altpapiermarkt leer. Zudem ist laut Gregor Andreas Geiger, Sprecher des Bundesverbandes der Papierfabriken, der Zellstoffpreis dramatisch gestiegen, wodurch altes Papier für die Verarbeiter noch interessanter und damit knapper geworden ist.

Hans-Jürgen Friedeheim freut sich über die Entwicklung. "Vor eineinhalb Jahren haben wir die Tonne Papier für zwei bis 2,50 Euro verkauft und damit die Sammelkosten von 50 bis 60 Euro noch nicht einmal annähernd decken können. Jetzt läuft das Geschäft wieder gut", sagt der Abteilungsleiter bei der Hamburger Firma Ludwig Melosch. Friedeheim ist optimistisch, dieses Jahr wieder einen Gewinn einfahren zu können, nachdem die Branche 2009 tiefrote Zahlen geschrieben hatte.

"Uns hilft auch, dass in Ostdeutschland neue Papierfabriken in Betrieb gegangen sind. Das kurbelte die Nachfrage zusätzlich an", so Friedeheim. Während der Recyclingexperte von einer steigenden Nachfrage profitiert, haben die Papierverarbeiter bereits Furcht um genügend Nachschub. "Vereinzelt mussten Papierfabriken sogar schon vorübergehend die Produktion stilllegen", beschreibt Geiger die Folgen der weltweiten Knappheit. Und eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht. "Wir rechnen damit, dass sich der Preis jetzt auf dem Niveau von 70 bis 80 Euro einpendelt", sagt Jörg Lacher, Sprecher vom Bundesverband Sekundärrohstoffe, dem Abendblatt.

Nach Meinung der Stadtreinigung wäre es hilfreich, würden die Bürger noch mehr Altpapier in die blauen Tonnen oder die Sammelcontainer werfen. "In Hamburg ist noch Potenzial vorhanden. Wir haben bisher 102 000 Haushalte mit der blauen Tonne für Papier und Pappe versorgt. Insgesamt gibt es in der Stadt aber rund 890 000 Haushalte. Wer eine blaue Tonne hat, wirft erfahrungsgemäß auch Haushaltsabfälle, also Verpackungen für Pizzen und ähnliches, hinein", sagt Sprecher Fiedler.

Auch Schrott aus Stahl und Kupfer ist teurer geworden

Zum Container hingegen werden meist nur Zeitungen, Zeitschriften und Kartons geschleppt. Laut Fiedler rechnet sich das System der blauen Tonnen für die Stadtreinigung finanziell noch nicht. "Aber wegen der gestiegenen Papierpreise ist auch der Deckungsbeitrag gestiegen."

Teurer geworden sind derweil auch andere Rohstoffe aus vermeintlichem Abfall. So wurde im Juni eine Tonne Stahlschrott für 210 bis 230 Euro gehandelt, im Juni 2009 konnten nur zwischen 100 und 135 Euro erzielt werden. Damit hat sich der Preis zwar erholt, kann aber noch nicht an frühere Höchststände anknüpfen. Im Mai 2008, also vor dem Ausbruch der Finanzkrise, notierte die Tonne bei 420 Euro.

Auch Kupferschrott hat sich seit dem ersten Halbjahr 2009 um gut die Hälfte verteuert. "Dennoch haben wir keine Probleme, genügend Schrott zu bekommen", sagt Dieter Birkholz von der Hamburger Kupferhütte Aurubis dem Abendblatt. Beim Kupferrecycling profitiere man eher vom Aufschwung. "Wenn die Konjunktur anspringt, wird mehr Kupfer produziert und damit fallen auch mehr Kupferabfälle an, die wieder ins Recycling gehen." Zudem ersetzten in Zeiten des Aufschwungs mehr Unternehmen alte Maschinen, deren Kupferbestandteile dann wieder als Schrott auf den Markt kommen.