Jungheinrich-Vorstandschef Frey über die Rückkehr in die Gewinnzone, das Ende der Kurzarbeit und zwölf Millionen Euro für das Norderstedter Werk

Hamburg. Der Hamburger Konzern Jungheinrich steuert wieder in ruhige Gewässer. Nach dem Einbruch 2009 stieg der Umsatz im ersten Halbjahr zwar nur leicht von 830 auf 833 Millionen Euro. Doch durch Kostensenkungen in der Krise lag das operative Ergebnis wieder bei 37,7 Millionen Euro, nach einem Verlust von 14,8 Millionen Euro in den ersten sechs Monaten 2009. Die Produktion stieg von 24 100 auf 27 400 Fahrzeuge. Das Abendblatt sprach mit Vorstandschef Hans-Georg Frey über die Perspektiven für 2010, Arbeit bis 67 und neue Investitionen.

Abendblatt:

Die Gabelstaplerbranche und auch Jungheinrich haben eine schwere Krise hinter sich. Was sind die Lehren?

Hans-Georg Frey:

Tatsächlich ist die weltweite Nachfrage 2009 von 950 000 Fahrzeugen auf 547 000 eingebrochen, also um mehr als 40 Prozent. Jungheinrich konnte vor allem durch sein starkes Servicegeschäft und zahlreiche Großkunden gegensteuern und kam mit 22 Prozent Umsatzverlust noch glimpflicher davon. Wir haben auf die Krise schnell reagiert, die Reisekosten halbiert, Überstunden beendet, Zeitkonten abgebaut und gespart, wo es nur ging. Auf die rasche Reaktion kommt es in Zukunft an. Denn die Märkte werden künftig stärker schwanken als bisher.

Ohne Stellenabbau und Kurzarbeit ging es aber nicht. Wie sieht die Bilanz aus?

Weltweit sind zehn Prozent der Stellen, rund 1000 Arbeitsplätze, weggefallen. Über 300 davon betrafen Leiharbeiter. In der Metropolregion Hamburg mit den Werken Norderstedt und Lüneburg waren es 298 und 109 Leiharbeiter. Es gab keine betriebsbedingten Kündigungen. Die gute Nachricht: Für Norderstedt und fast alle Mitarbeiter im Norden ist die Kurzarbeit, die für 1350 Mitarbeiter zum Teil ab Anfang 2009 für zwei Jahre beantragt war, ausgesetzt.

Es geht also aufwärts?

Für dieses Jahr scheint in Europa ein Plus bei den Aufträgen von 20 Prozent realistisch. Hintergrund ist der Nachholbedarf der Firmen, die während der Krise nicht in die interne Logistik investiert haben. In Asien wird der Zuwachs höher ausfallen. So dürfte der Weltmarkt um mehr als 30 Prozent auf über 700 000 Fahrzeuge zulegen. Offen ist, wie sich das Auslaufen der weltweiten Konjunkturprogramme und die Sparprogramme auswirken. Wir sind vorsichtig optimistisch.

Was bedeutet das für Jungheinrich?

Der Umsatz wird in diesem Jahr bei 1,75 Milliarden Euro liegen und der Auftragseingang dürfte 1,8 Milliarden Euro erreichen. So steigt auch wieder der Auftragsbestand. Jungheinrich wird nach einem Verlust 2009 operativ 60 bis 80 Millionen Euro vor Steuern verdienen und wieder Dividende zahlen. Aber der Erlös liegt noch um 400 Millionen Euro unter dem Wert von 2008. Es gibt also keinen Grund für Euphorie.

Bedeutet die Ertragswende, dass neue Stellen entstehen?

Damit befassen wir uns in den Planungen. Es würden aber zunächst überwiegend Leiharbeiter sein. Schwierigkeiten, Fachpersonal zu bekommen, gibt es für uns bisher nicht. Selbst in der Krise haben wir gute Lehrlinge übernommen.

Dann ist es für Jungheinrich nicht wichtig, dass die Arbeitszeit auf 67 Jahre verlängert werden soll?

Der demografische Wandel wird kommen. Daher werden wir länger arbeiten müssen. Die Frage ist, wie viel Arbeitnehmer das in ihrer Aufgabe können.

Wie viele können es bei Jungheinrich?

In der Hamburger Metropolregion sind etwa 26 Prozent der 2200 Mitarbeiter älter als 50 Jahre. Die durchschnittliche Zugehörigkeit im Unternehmen liegt mit 16 Jahren hoch. Diese Leute wollen wir wegen ihrer Erfahrung unbedingt halten. Eine hohe Fluktuation entspricht nicht unserer Firmenkultur.

Würden Sie über 50-Jährige einstellen?

Ja, wenn der Bewerber das Stellenprofil erfüllt. Wir brauchen immer wieder gestandene Mitarbeiter von außen.

Wird nun wieder investiert?

Das hat sich in der Krise nicht geändert. Jedes Jahr fließen 40 bis 50 Millionen für Investitionen und 40 Millionen für Forschung und Entwicklung. 2010 erhält unser größtes Werk Norderstedt mit 1100 Mitarbeitern eine Pulverbeschichtungsanlage zur Lackierung von Teilen für zwölf Millionen Euro. Das ist die größte Einzelinvestition in diesem Jahr. Solche Investitionen sind auch möglich, weil die Gesellschafterfamilien des Konzerns, Wolf und Lange, als Stammaktionäre in der Krise wie selbstverständlich auf eine Dividende verzichtet haben.

Das größte Wachstum bei Gabelstaplern wird in Asien, vor allem in China, erwartet. Profitiert Jungheinrich davon?

Wir haben in China eine Vertriebs- und Servicegesellschaft, produzieren in einem Joint Venture Handhubwagen und bauen in einem eigenen Werk in der Nähe von Shanghai elektrische Hubwagen und Stapler. Das sind einfache, robuste Geräte für den lokalen Markt. Derzeit entstehen jährlich 1000 Fahrzeuge mit Zulieferungen aus der Region.

Keine Furcht vor Kopierern?

Die Gefahr besteht. Aber unsere elektronischen Steuerungen für die Geräte und andere Kernkomponenten bauen wir in Deutschland. Unser Ingenieurs-Know-how bleibt so gesichert. Klar ist: Das Werk in China wird in drei bis vier Jahren mehrere Hundert Mitarbeiter haben und die Asiaten werden vermehrt hochwertige Geräte kaufen. Dann ist unsere Produktion schon vor Ort.