Ende 2011 könnte Ausfuhrrekord von 2008 fast wieder erreicht werden. China bleibt dennoch Exportweltmeister

Hamburg. Die deutsche Wirtschaft lässt ihr Konjunkturtief zunehmend hinter sich. Die Exporte steigen weiter deutlich. Gegenüber dem Vorjahr legten die Ausfuhren im Juni um 28,5 Prozent auf 86,5 Milliarden Euro zu, teilte das Statistische Bundesamt mit. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rechnet damit, dass die deutschen Exporte in diesem Jahr gegenüber 2009 um elf Prozent zunehmen und 2011 um weitere acht Prozent gegenüber 2010. Damit rücke der Rekordwert der deutschen Ausfuhren von 984 Milliarden Euro, der im Jahr 2008 vor dem Beginn der Weltwirtschaftskrise erreicht worden war, wieder "in greifbare Nähe", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Axel Nitschke.

Den Titel des "Exportweltmeisters" werde Deutschland von China allerdings nicht mehr zurückgewinnen können, sagte Nitschke, dafür wachse das asiatische Land zu stark. China hatte Deutschland im vergangenen Jahr bei den Exporten überholt.

In der ersten Jahreshälfte steigerten die deutschen Exporteure ihren Umsatz nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes um 18,2 Prozent auf 458,4 Milliarden Euro. "Wachstumstreiber bleiben weiterhin die Schwellenländer", sagte der Präsident des Branchenverbandes BGA, Anton Börner. "Allen voran ist hier China zu nennen."

Auch die deutschen Einfuhren stiegen um 31,7 Prozent stark an

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) lobte die deutsche Wirtschaft und besonders die deutschen Ausfuhren als "Konjunkturlokomotive für Europa". Denn auch die deutschen Importe stiegen im Juni massiv an, um 31,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat auf einen Wert von 72,4 Milliarden Euro. Davon profitierten auch Deutschlands Nachbarländer. In den vergangenen Monaten war Deutschland aus anderen Mitgliedstaaten der EU heraus für seine starke Außenhandelswirtschaft kritisiert worden, die auf Kosten anderer europäischer Staaten exportiere. Brüderle wies das mit Blick auf die Erfolge der deutschen Exportunternehmen zurück: "Es ist nicht nur ein Indiz für die hohe Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, sondern auch ein Vertrauensbeweis für die Qualität deutscher Produkte."

Schwacher Euro hat die deutschen Exporte begünstigt

Nach Beobachtung des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) zieht der Welthandel, der Export aller Güter, schon seit dem Winterhalbjahr wieder kräftig an. "In den vergangenen Monaten hat der deutsche Export auch stark vom rückläufigen Kurs des Euro profitiert", sagte der Wirtschaftswissenschaftler Jörg Hinze vom HWWI dem Abendblatt. Zur Jahreswende notierte die europäische Gemeinschaftswährung noch bei mehr als 1,50 Dollar. Wegen der Schuldenkrise in Griechenland stürzte der Euro bis zum Juni auf 1,19 Dollar ab und erholt sich seither wieder, auch wegen der finanziellen Stützungsaktionen der übrigen Euro-Länder für Griechenland.

Die Krise des Landes hatte die Währung in starke Turbulenzen gestürzt. Allerdings wurde zuvor auch lange Zeit moniert, der Euro sei gegenüber dem Dollar zu stark, das mindere die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Exportwirtschaft. "Ich weiß nicht, wo ein ,fairer' Euro-Kurs liegt, dafür gibt es zu viele Bezugsgrößen", sagte Hinze. "Letztlich ermittelt der Markt mit seinen enorm vielen Teilnehmern den ,richtigen' Wert am besten."

Vom starken Export profitiert auch der Hamburger Hafen, Deutschlands größter Seehafen. Dessen Halbjahreszahlen werden zu Beginn der kommenden Woche präsentiert. "Der Juni war wieder ein sehr starker Monat mit zweistelligem Wachstum vor allem beim Containerverkehr", sagte Bengt van Beuningen von Hamburg Hafen Marketing dem Abendblatt. "Wir sind auf einem guten Weg, an das Niveau von vor der Krise anzuschließen." Im Jahr 2007 hatte der Hamburger Hafen mit zehn Millionen umgeschlagenen Containereinheiten (TEU) seinen bisherigen Rekord erreicht. Bis 2009 sank der Umschlag wegen der Wirtschaftskrise auf rund sieben Millionen TEU.