6,55 Millionen Menschen verdienen weniger als 9,50 Euro pro Stunde

Duisburg/Essen. In Deutschland sind nach einer Studie 6,55 Millionen Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor tätig - so viele wie nie zuvor. Innerhalb von zehn Jahren sei die Zahl der Niedriglohnempfänger um 2,3 Millionen Menschen gewachsen, teilte das Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen gestern mit. Rund jeder Fünfte - exakt 20,7 Prozent - der Beschäftigten in Deutschland erhielt demnach 2008 einen Lohn unterhalb der Niedriglohnschwelle der Industrienationen.

Die Wissenschaftler nutzten für ihre Untersuchung die Niedriglohnschwelle der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der zufolge Niedriglöhne weniger als zwei Drittel des mittleren Stundenlohns in einem Land betragen. Sie berechneten dabei für Westdeutschland eine Niedriglohnschwelle von 9,50 Euro, für Ostdeutschland von 6,87 Euro.

Im Untersuchungszeitraum von 1995 bis 2008 habe sich der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland von 14,7 Prozent auf 20,7 Prozent erhöht. Seit 2006 stagniere der Niedriglohnanteil zwar bei knapp einem Fünftel aller Beschäftigten. Die Zahl der Niedriglöhner sei zuletzt jedoch trotzdem gewachsen, weil der Beschäftigungsgrad zugenommen habe. Stark von Niedriglöhnen betroffen seien Minijobber, junge Beschäftigte unter 25 Jahren, Ausländer, Frauen, gering Qualifizierte und befristet Beschäftigte.

In der Bundesrepublik gezahlte Löhne wären in anderen Ländern unzulässig

In europäischen Nachbarländern sei der Niedriglohnanteil deutlich niedriger gewesen, teilte das IAQ mit. In Frankreich hätten 2005 rund 11,1 Prozent einen Niedriglohn bekommen, in Dänemark 8,5 Prozent. "Kein anderes Land" außer der Bundesrepublik habe in den vergangenen Jahren ein derartiges Wachstum des Niedriglohnsektors erlebt, urteilten die Studienautoren Thorsten Kalina und Claudia Weinkopf. 3,6 Prozent der Niedriglohn-Beschäftigten bekämen sogar "extreme Niedriglöhne" von unter fünf Euro je Stunde, weitere 6,7 Prozent von unter sechs Euro. In den meisten EU-Ländern wären solche Vergütungen unzulässig, so die Autoren. Der Grund: Die gesetzlichen Mindestlöhne lägen dort zwischen 40,5 und 62,7 Prozent des Vollzeitstundenlohns. Würde sich Deutschland daran orientieren, müsste hierzulande ein Mindestlohn zwischen 5,93 und 9,18 Euro eingeführt werden.