Das gute Abschneiden der HSH Nordbank sorgt bei Experten für Kopfschütteln

Hamburg. Die Erwartungen an den europaweiten Bankenstresstest waren hoch: Erstmals überhaupt sollten die Geldhäuser darlegen, wie ihr Kapital unter Krisenbedingungen zusammenschmilzt und welche Puffer sie im Notfall haben. Am Ende, so die Hoffnung des europäischen Aufsichtsgremiums CEBS, sollte damit das Vertrauen in die krisengebeutelte Finanzbranche wiederhergestellt werden. Doch das Ziel scheint verfehlt, da die Testkriterien nach Ansicht vieler Analysten und Börsianer zu lax waren.

Selbst die Aufseher gießen Wasser in den Wein. "Das ist nur eine Operation zur Beruhigung der Märkte", räumte etwa BaFin-Chef Jochen Sanio ein, der nach eigenem Bekunden aus den Ergebnissen keine neuen Erkenntnisse gewinnen konnte.

"Der Test hat nicht bewiesen, dass die Banken krisenfest sind"

"Es wäre fatal, wenn man sich jetzt zurücklehnt", sagte der Hamburger Wirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann dem Abendblatt, "denn man kann aus dem Test keineswegs den Schluss ziehen, die deutschen Banken seien krisenfest". Hansmann hält schon die vorgegebenen Kriterien für unzureichend. So mussten die Banken die von ihnen gehaltenen Staatsanleihen nicht für die Prüfung abwerten, wenn diese Papiere bis zum Fälligkeitstermin gehalten werden sollen - und dies betrifft einen erheblichen Teil der Anleihen. "Aber wer weiß, ob Griechenland seine Schulden in sechs oder sieben Jahren komplett zurückzahlen kann?", gab Hansmann zu bedenken.

Darüber hinaus sei für den Stresstest nur eine milde Rezession in Europa durchgespielt worden. "Im vergangenen Jahr ist aber Deutschlands Wirtschaft um fünf Prozent geschrumpft", so Hansmann. In der Finanzbranche wisse man sehr gut, dass ein Belastungstest, bei dem in Deutschland nur die verstaatlichte Hypo Real Estate nicht besteht und bei dem europaweit nur sieben von 91 Banken durchfallen, nicht wirklich ernst genommen werden könne.

Auch hinter das gute Abschneiden der HSH Nordbank - sie gehörte auf Augenhöhe mit der Deutschen Bank zu den laut Test stabilsten Instituten hinter der Landesbank Berlin - müsse man ein Fragezeichen setzen, meint der Wirtschaftsexperte. Einerseits sei die Landesbank von den Anteilseignern Hamburg und Schleswig-Holstein mit einer Kapitalspritze von drei Milliarden Euro versorgt worden: "Dann ist es leicht, gut auszusehen." Auf der anderen Seite sei im Rahmen des Tests offenbar gar nicht der Versuch gemacht worden, die "Schrottpapiere" der HSH, die in eine eigene "Bad Bank" ausgelagert werden, realistisch zu bewerten.

Eigenkapitalregeln für die Branche sollten insgesamt verschärft werden

Auch Werner Marnette, Ex-Chef von Aurubis (Norddeutsche Affinerie) und früherer Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, kritisierte den Stresstest scharf. Er liefere ein "völlig verzerrtes Bild der tatsächlichen Ertragsstärke und der Wettbewerbsfähigkeit". Seine Absurdität werde am Beispiel der HSH Nordbank deutlich, die auch in diesem Jahr noch tiefrote Zahlen schreibe, so Marnette. Selbst die BaFin schätze das Risikopotenzial der Bank auf mehr als 70 Milliarden Euro bei einer Bilanzsumme von rund 175 Milliarden Euro. Völlig unklar seien insbesondere die verbliebenen Risiken in der Schiffsfinanzierung und im Kreditersatzgeschäft.

Die Prüfungen hätten zwar gezeigt, dass einige Banken sehr ordentlich mit Kapital ausgestattet seien, sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger im Deutschlandfunk. "Auf der anderen Seite wäre es sinnvoll, dass man insgesamt die Eigenkapitalregeln auf eine robustere Basis stellt." Die Krise habe gezeigt, dass aus sicheren Aktiva wie Staatsanleihen sehr schnell unsichere werden könnten. Deshalb hätte die Unterlegung mit Eigenkapital zu einem bestimmten Prozentsatz unabhängig vom Risiko der Anlagen Vorteile, sagte der Ökonom.

"Tendenz zu immer größeren Banken sollte gestoppt werden"

Bofinger forderte zudem eine Entflechtung der Banken. Die Institute seien extrem vernetzt. Die Folgen des Zusammenbruchs eines Geldhauses auf andere seien bei dem Stresstest nicht untersucht worden. Finanzinvestor und Ex-Dresdner-Bank-Vorstand Leonhard Fischer tritt für eine Verkleinerung der Banken ein. "Ich würde ganz schnöde die Bilanzsumme begrenzen", sagte Fischer der "Welt am Sonntag". Ziel müsse es sein, "die Tendenz zu immer größeren Banken zu stoppen".

Der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Leo Dautzenberg, hält vor allem im Landesbankensektor eine Konsolidierung für nötig. "Hier darf es keine Tabus mehr geben", sagte er dem "Handelsblatt". "Ebenso sollten die Institute andenken, ob es nicht doch an der Zeit ist, den Bankenrettungsfonds SoFFin zu nutzen." So hatte die Nord/LB den Test nur knapp bestanden. Ihr Finanzvorstand Hinrich Holm sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", man halte aber eine Kapitalerhöhung nicht für notwendig.